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umflattern die Kleider bunt; nichts haben Gewand und Seele ge¬
mein; drum können Gewänder kein Glück verleih».
K. In jenem Gewölbe schimmert es es fein von Perlen und
köstlichem Edelgestein; solch Halsgeschmeide zur Festtagszier, das
wünscht ich vor allen Dingen mir!
M. Mein Kindlein kennst bu die Sage noch nicht, die uns
vom Ursprung der Perle spricht? Der Unschuld Thränen, auf Er¬
den geweint, die sind zu Perlen und Demant versteint; und der
Rubinen funkelnde Glut entstand ciuS unschuldig vergossenem Blut.
Es birgt die Fabel wohl tiefen Sinn; drum wünsche dir nimmer
Perl' und Rubin.
K. Sieh dorthin, Mutter, den schönen Pokal, die zierlichen
Becher von hellem Kristall; wär einer der niedlichen Becher mein,
dann schmeckte Wasser besser als Wein.
M. Ein Wassertrnnk aus geringem Thon ist Himmelsgabe
dem Durstigen schon. Am Kreuze schmachtete sterbend der Herr,
er wollte trinken, ihn dürstete sehr; die Mörder reichten den
Schwamm ihm hin mit bitterem Wermut und Essig drin. —
Wer lebt ans Erden, der solches hört, und noch eines reichen Be¬
chers begehrt?
K. Was aber, Mutter, kaufst du mir wohl? Von schönen
Dingen ist alles voll, es glänzt und winkt mir nah und fern, und
etwas hätt' ich doch gar zu gern!
M. Das Büchlein hier in dem schwarzen Band, das Testa¬
ment unsers Herren genannt; es ist sein Leben und Wandel drin,
sein hoher Geist und sein Kindessinn, seine Demuth und seine
Gnadenhnld, wodurch wir haben Bergcbung der Schuld; seine
treue Liebe bis in den Tod, wodurch er uns versöhnt mit Gott;
sein Friede, der ins ewige Leben quillt, und alles Sehnen des
Herzens stillt; und seiner Lehre himmliscbes Licht, das hell und
tröstend durch Wolken bricht und wundersam glänzt im ewigen
Wort in unvergänglicher Klarheit fort. — Drum halte dich 'an
dem Büchlein fest, ' ob alles andre dich verläßt! Wie einst nach
Bethlehem ein leuchtender Stern die Weisen geleitet zur Wiege des
Herrn, so führet es sicher durch Nacht und Zeit die gläubige'Seele
zur Ewigkeit.
136. Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen
seid, ich will euch erquicken.
Im fernen Indien lebte "ein angesehener heidnischer Mann,
den mit einem Mal eine yroße innere Unruhe seiner Sünden we¬
gen ergriff. Er ging zu einem Götzenpriester, sich einen Trost zu
holen, und der sprach: „Gehe hin und wasche dich in dem heili¬
gen Fluß Ganges!" Er that es, aber seine Angst wollte sich nicht
verlieren. Da rieth ihm der Götzenpriester, eine Wallfahrt zu thun
150 Stunden weit nach einem fernen Götzentempel. Er thats;
aber er brachte den Fluch der Sünde auch vou da wieder mit