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Die Gnadenvcrhcistung der Schrift tröstete bald Johanns erwachtes
Gewissen, der von dem Tage an ein neuer Mensch wurde, und
mit aller Treue seinem zeitlichen und ewigen Berufe lebte. Jetzt
gereichte sein Umgang auch Thomas wieder zum Segen, indem sic
jetzt gemeinschaftlich das Eine, was noth ist, zu erstreben suchten,
wobei ihnen das Wort Gottes das Licht ans ihrem Wege blieb.
139. Das Sicgeslicd unsrer Kirche.
Das Heldenlied Luthers und freudige Triumpflicd der evan¬
gelischen Kirche: „Ein feste Burg ist unser Gott", welches, wenn
auch nicht nach dem Wortlaute, so doch dem Geiste nach vollkom¬
men eins ist mit dem 46. Psalm, ist seinem Hauptinhalte nach das
Sicgcslied der bedrängten Kirche Jesu Christi. Luther hat cs
wahrscheinlich auf feiner Reise nach Worms gedichtet, wie schon
aus der Verwandschaft des dritten Verses mit seinem bekannten
AuSsprnche: „Und wenn so viel Teufel in Worms wären, als
Ziegel auf den Dächern, ich ginge doch hin", hervorgeht. Dieses
Lied, das sich bald Eingang in Deutschland verschaffte und oft die
erste Veranlassug zur Einführung der Reformation war, wurde
das stehende Lied für das Reformationsfest und überhaupt ein kräf¬
tiges Trostlicd in allen Zeiten der Roth und Gefahr. Jetzt ist cs
anch zu der bekehrten Heidenwclt hinüber gepflanzt, die cs mit
fröhlichen Lippen singt.
Gustav Adolf, der edle Vertheidiger der evangelischen Kirche
im 30 jährigen Kriege, der morgens und abends sein Heer znm
Gebet versammelte, der damit die Schlacht begann und endigte,
liest vor der Schlacht bei Leipzig beu 17. Sept. 1681, als er Tilly
gegenüberstand, fein ganzes Heer dies Lied anstinimen, nnb als ihm
nun Gott zum Siege verhelfen und er den Feind allenthalben
fliehen sah, warf er sich mitten unter den Todten unb Verwunde¬
tet: auf seine Knie nnb rief mit lauter Stimme gen Himmel:
„Das Feld must er behalten." Gott war mtb blieb auch in allem
seine Burg; er unternahm ttichts ohne den Herrn und seiites Hee¬
res Fahnen trugen das Gotteswort Röm. 8, 31: „Ist Gott für
utls, wer mag wider Nils sein?" .
140. „Ich glaube an die Vergebung der Sünden."
Es geschieht manchmal, dast Gott ein Wort an einem Men- ,
schenherzen besonders segnet, also dast dies Wort dasselbe nicht
eher los lästt, als bis es seinen Zweck an ihm erreicht hat. So
war Luther schon vor feiner Abreise nací) Rom im Jahre 1510
von dem Worte Röm. 1, 17: „Der Gerechte wird seines Glau¬
bens leben" — mit ganz besondrer Gewalt ergriffen. Auf der
ganzen Reise lags ihm im Sinne und doch konnte ers sich nicht
recht deuten; denn er meinte noch immer, daß in Rom seinem ge¬
ängsteten Herzen das lang ersehnte Licht aufgehen werde. Wie er
nun aber hier als ein jämmerlich Büßender die Pilatusstiege, welche