Full text: Deutsches Lese-, Lehr- und Sprachbuch für Schule und Haus

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waren ins Weiche gefallen, mitten auf einen freien großen Platz; 
der war ganz roth von den schönsten und größten Erdbeeren. 
Die beiden Kinder singen sogleich an zu pflücken, und beka¬ 
men ihr Krüglein voll, ehe eine halbe Stunde verging. Dann 
kehrten sie eilends in die Stadt zurück und kauften für das Geld, 
das sie für die Erdbeeren erhielten, zwei Groschenbrote. Als ihre 
Krüge ausgeleert waren, probierten sie noch einmal, ob dieselben 
von dem Fall nicht zu Schaden gekommen wären, und klopften mit 
den Fingerknöcheln daran, wie man aus dem Topfmarkte thut; 
aber sie hatten keinen Sprung, sondern klangen wie die Glocken 
in der frischen Morgenluft. 
151. Vergieb uns unsre Schuld, wie wir vergeben unsern 
Schuldiger». 
1. Ein Gerber und ein Bäcker waren Nachbaren, und die 
gelbe und die weiße Schürze vertrugen sich aufs beste. Wenn dem 
Gerber ein Kind geboren wurde, hob es der Bäcker aus der Taufe, 
und wenn der Bäcker in seinem großen Obstgarten an die Stelle 
eines ausgedienten Invaliden einen Rekruten bedurfte, ging der 
Gerber in seine schöne Baumschule und hob den schönsten Mann 
aus, den er darin hatte. Zu Ostern, Martini und am heiligen 
Abend kam die Bäckerin immer, welche keine Kinder hatte, einen 
großen Korb unter dem Arme, zu den Nachbarsleuten hinüber und 
theilte unter die kleinen Pathen aus. Je mehr sich die Kindlein 
über die reichen Spenden freuten, desto näher rückten einander die 
Herzen der beiden Weiber, und es schien, als ob sie einander im¬ 
mer gut bleiben würden. 
Aber ihre Männer hatten ein jeglicher einen Hund, der Ger¬ 
ber als Iagdliebhaber einen großen, braunen Feldmann, und der 
Bäcker einen kleinen, schneeweißen Mordax. Beide meinten, die 
besteil und schönsten Thiere in ihrem Geschlechte zu haben. Und 
da geschah cö denn eines Tages, daß Mordax ein Kalbsknöchclchen 
gegen den Fcldmaun behauptete. Denn er hatte wahrscheinlich ver¬ 
gessen, daß es nicht gut sei, einem großen Herrn etwas abzuschla¬ 
gen. Vom Knurren kam es zum Beißen, und ehe sich der Bäcker 
von seiner grünen Bank vor dem Hause erheben sonnte, lag sein 
Hündchen mit zermalmten Genick vor ihm, und der Feldmann lief 
mit dem eroberten Knochen und mit eingezogenem Schweife davon, 
^ehr ergrimmt zznd entrüstet warf der Bäcker dem Hunde einen 
gewaltigen Stein nach. Aber was halfs? Der Stein flog nicht 
dem Hunde an den Kopf, foubcvit dessen Besitzer durch das Fen¬ 
ster, mitten auf den Tisch, an dem er gerade die Zeitung las. 
Ohne zu fragen, woher der Schuß gekommen sei, riß der Gerber 
den zertrümmerten Fensterflügel auf und fing an zu schimpfen. 
Der Nachbar in der weißen Schürze und mit den aufgestülpten 
Hemdärmeln blieb nichts schuldig; Kinder und Leute liefen zusam¬ 
men. Der Bäcker verließ den Kampfplatz zuerst, aber nur, um sei-
	        
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