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Regen und daneben Hitze. Der Nachsommer bis Ende Septembers ist
die angenehmste Jahreszeit. Linde wehen die Lüste, und freundlich, nicht
mehr heiß, scheint die Sonne; freier athmen Mensch und Thier. Auch
im Oktober kommen noch viele schöne Tage. Mitte Novembers wirv die
Witterung rauh und kalt; aber der Februar ist schon ziemlich gelinde
wieder. — Die Feuchtigkeit der Luft hat dem Lande herrlich grünende
Wiesen gegeben; daher eignet es sich vorzüglich zur Nindviehzucht. Ne¬
bel und Stürme sind häufig. Indes erfreuen die Einwohner sich einer
guten Gesundheit, da die Seewinde die Luft reinigen.
Emden, am Einfluß der Ems in den Dollart, hat viele Fabriken
und guten Seehandel und schickt Schiffe aus auf den Heringsfang. —
Aurich, in der Mitte der Provinz, große Pferdemärkte. — Leer, He¬
rings sischer. — Norden, am Meere.
119. Der Jnseltranz Ostfrieslands.
Da, wo die Küste endigt, fängt das Watt an, zur Flutzeit ein
See, den die Schiffe befahren, bei niedrigem Wasser eine trockne Fläche
von etlichen Stunden Breite. Es ist am Fuße der Deiche oft begrünt,
weiter entfernt Seeschlamm, Schlick genannt, mit sehr feinem Sand ver¬
mischt, und geht nach und nach in gröber» Seesand über. An das
Watt grenzen die Inseln, sieben an der Zahl, wovon sechs zu Hannover
gehören. Sie ziehen sich ein bis zwei Stunden von der Küste entfernt
von Osten nach Westen hin. Borkum ist die größte, V2 Stunde breit,
IV2 Stunde lang; die übrigen sind länger, aber weniger breit. Sie
bestehen nur aus einer zwei- bis dreifachen Reihe von Sandhügeln (Dü¬
nen), die sich 20 bis 30 Fuß erbeben, theils kahl, theils mit Strand¬
hafer bewachsen, und oft von seltsamer Gestalt; nur an der Südseite
setzt sich ein wenig Schlamm an, da sind sie mit spärlichem Grase be¬
wachsen, das wenigen Kühen und Schafen zur Weide dient. Nur Bor¬
kum hat etwas Marschland. Dennoch sind alle Inseln bewohnt; die
Bewohner nähren sich von Fischfang und Schifffahrt. Biele Arme sind
unter ihnen, besonders Witwen, was eine Folge der Beschäftigung der
Männer ist. Ehedem waren die Inseln weit größer; Borkum war frü¬
her dreißigmal so groß. Unaufhörlich reißen die Meereöwogen an ihnen,
und sie werden vielleicht einst gänzlich verschwinden, gleichwie die weiter
östlich gelegenen, von denen keine Spur mehr vorhanden ist. Sie dienen
jetzt aber noch der Küste zur Schutzmauer, indem sie die Gewalt der
Meeresfluten brechen; daher wird auch fortwährend für ihre Erhaltung
gesorgt, namentlich durch Besäung der Dünen mit Strandhafer. Auch
dem Seefahrer gewähren sie bei Stürmen einen sichern Zufluchtsort.
Auf Borkum befindet sich ein Leuchtturm, d. i. ein sehr hoher
Turm, auf dessen Spitze ein weithin scheinendes Feuer unterhalten wird,
das den Schiffern die Fahrstraße der Ems und den Eingang in den
Dollart bezeichnet.
Norderney ist die bevölkertste und wegen ihres besuchten Seebades
die merkwürdigste der Inseln Ostfrieslands. Man kann dieselbe zu Lande
und auch zu Wasser erreichen. Während der Ebbezeit nämlich läuft das