Full text: Von der Zeit Karls des Großen bis zum Tode Friedrichs des Großen (Teil 2A)

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Das Mittelalter. 
Waldenser (genannt nach ihrem Stifter Petrus Waldus in Lyon). 
Alle Sekten forderten die apostolische Einfachheit des Lebens und griffen 
die bisherige Entwicklung der Kirche an. Um dem bedrohlichen Abfall von 
der Kirche zu steuern, regelte Innozenz III. die Inquisition, die mit 
milderen und scharfen Strafen bis zum Feuertode gegen Ketzerei vorging, 
und die von ihm geleitete Lateransynode bezeichnete das Aufspüren und Be- 
strafen der Ketzer als eine Hauptaufgabe der Bischöfe. Die leiblichen 
Strafen, namentlich die Todesstrafe, überließ die Kirche jedoch der weltlichen 
Obrigkeit^), die allerdings oft in entmenschter Weise die Aufträge ausführte 
(Foltern bis zum erlösenden Feuertod). Auch in Deutschland trat die In- 
quisition auf, konnte hier aber bei dem Widerwillen des Volkes keinen rechten 
Boden gewinnen. — Gegen die Albigenser forderte der Papst zu einem 
Kreuzzuge auf und veranlaßte dadurch die zwanzig Jahre währenden greuel- 
vollen Albigenferkriege, in denen die Sekte ausgerottet wurde. Die 
Waldenser dagegen haben sich bis heute in Piemont erhalten. 
Wertvolle Stützen für seine Autorität fand das Papsttum in zwei zur 
Zeit Innozenz' III. enstandenen Bettelorden, die den Verzicht auf eigenen 
Besitz zugunsten der Armen und Kranken nicht nur für die einzelnen Mit- 
glieder, sondern auch für die Gesamtheit streng durchführten. Franz von 
Assisi (in Umbrien), der Sohn eines reichen Kaufmanns, fiel nach einer 
in Üppigkeit und Leichtsinn verlebten Jugend in eine schwere Krankheit, die 
ihn zur Umkehr veranlaßte. Er zog als Bußprediger umher, widmete sich 
der Armen- und Krankenpflege und vereinigte sich mit gleichgesinnten Ge- 
nossen zur Gründung des Franziskanerordens. Dem Kastilianer Do- 
minikus verdankt der Dominikanerorden seine Entstehung. Die Mit- 
glieder erhielten das Recht, auch ohne Erlaubnis der Weltgeistlichen überall 
zu predigen („Predigermönche") und Beichte zu hören, und machten davon 
ausgedehnten Gebrauch. Später wurde dem Dominikanerorden die Jnqui- 
sitiou übertragen. — Die Kraft beider Orden bestand wesentlich darin, 
daß sie von der bischöflichen Gewalt unabhängig waren und unter einem 
General in Rom standen, der nur dem Papste verantwortlich war, ebenso 
wie später die Jesuiten. 
Von den Predigten des Franz von Assisi ergriffen, stiftete die aus 
demselben Orte stammende heilige Klara den Orden der Klarissinnen. 
Auch der Dominikanerorden erhielt bald eine weibliche Abteilung. Die 
Nonnen widmeten sich hauptsächlich der Krankenpflege und dem Jugend- 
Unterricht. 
Um die Mitte des 13. Jahrhunderts kam noch ein Bettelorden hinzu, 
der sich in Italien aus der Vereinigung mehrerer Genossenschaften bildete 
nnd nach dem heiligen Augustinus den Namen Augustinerorden erhielt. 
*) „Ecclesia non sitit sanguinem (die Kirche dürstet nicht nach Blut)."
	        
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