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107. Bayerns Anteil an der Erneuerung des Deutschen
Reichs.
In der politischen Welt schien tiefste Ruhe zu herrschen, als
sich plötzlich — scheinbar aus geringfügigstem Anlaß — ein Krieg
entwickelte, der in der katastrophenreichen Geschichte Europas an
furchtbaren Uberraschungen kaum seinesgleichen hat. Der Herzahlung
on Urachen und Wirkung bedarf es nicht; allen ist ja noch jener
elektrische Strom, so zu sagen, in den Nerven, der ganz Deutschland
durchfuhr, als man die französische Unbill gegen den greisen König
Vilhelm und dessen mannhafte Zurückweisung des übermütigen An
innens erfuhr. Vom Nordseeusfer bis zum Fuß der Alpen war fast
allen gemeinsam das Gefuhl, daß nicht einem einzelnen deutschen
Fursten, sondern dem ganzen deutschen Volk eine Beleidigung zuge-
fügt sei, die mit gemeinsamen RKrasten abgewehrt werden müsse.
Dagegen war das französische Kabinett überzeugt, daß eine Einigung
des deutschen Volles in Waffen nur in den Liedern der Poeten, nicht in
der Wirklichkeit möglich sei, daß insbesondere in Suddeutschland die
Gemuter aus Stammesvorurteilen oder Lonfessionellen Bedenken, die
Mãchte aus Eifersucht einer Verbrüderung mit dem Norden entgegen
seien. Wenigstens auf der bayerischen Regierung Schwanken und
Zögern hatte man in den Tuilerien sicher gehofft. Aber Bayerns
Kõönig sprach sofort seine moralische und rechtliche Uberzeugung
Lurz und bündig aus: „Ireu dem Allianzvertrag, sũr welchen ich mein
kõnigliches Wort verpfändet habe, werde ich mit meinem Bundes—
genossen für die Ehre Deutschlands und damit sür die Ehre Bayerns
dinstehen, sobald es die Pflicht gebietetl
Am 16. Juli 1870 erfolgte der königliche Besehl zur Mobilisierung
der bayerischen Armee und freudig erkannte daraus die grobe Mehr-
heit des Volles, daß der geliebte Fürst wie sie suhle, wie sie hoffel
In den Sitzungen der z2weiten Kammer am 18. und 19. Juli verteidigten
die Kronräte den Beitritt Bayerns zur nationalen Sachen Es wurde
betont, wie nicht bloß die deutsche Pflicht, sondern auch das bayerische
Interesse das Zusammengehen mit dem Norddeutschen Bund erheische.
Wohl sei sich der Monarch seiner ernsten Verantwortung bewubt,
wohl könne er sich nicht verhehlen, welch furchtbare Sturme sein
Machtwort über Bayern heraufführe, aber das alte tausendjahrige
Bayern werde auch diese Gefahr überdauern, festvyerbunden mit den
deutschen Brüdern. „Die nationale Idee Ppesteht, das laßt sich
nicht wegleugnen, es handelt sich nur darum, der Idee jenes Bett
zuzuweisen. wo sie zu unsrem Frommen wirkt; trennt sich aber Bayern