Julius Cäsar.
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toren an Coriolan ab. Ohne elwas bei ihm ausgerichtet zu haben,
kehrten sie zurück. Darauf machten sich die Freunde Coriolans auf
und baten ihn in beweglichen Worten: „Laß' ab von der Belagerung!
Stürz' uns nicht ins Unglück!" Auch das half nichts. Es erschienen
die Priester und beschworen ihn im Namen der Götter, von seinem
Vorhaben abzulassen. Auch ihnen sagte er „Nein". Da machte sich
endlich ein Zug würdiger Frauen auf, an der Spitze desselben schritten
die Mutter Coriolans, Veturia, und seine tugendsame Gemahlin
Volumnia. Was die Männer nicht erreicht hatten, gelang ihnen, haupt¬
sächlich den ernsten Bitten der Mutter, die von glühender Vaterlands¬
liebe erfüllt war. Auch Vorwürfe ersparte sie ihm nicht. „Am här¬
testen trifft uns deine Wut. Wer auch gewinnen mag, wir sind auf
jeden Fall elend. Entweder führt man dich wie einen Abtrünnigen,
Fremden, in Ketten durch die Straßen, oder du trittst im Triumph
des Vaterlands verwüsteten Boden und trägst die Siegespalme, weil
du kühn vergossest das Blut von Frau und Kind. Ich will das
Schicksal nicht erwarten, noch den Schluß des Krieges. Kann ich dich
nicht bewegen zum Frieden, so sollst du, ehe du zum Sturm auf deine
Vaterstadt dich anschickst, deiner Mutter Leib zertreten!" Da rief
Coriolan in tiefer Herzensqual aus: „Mutter, du hast mich überwunden,
Rom hast du gerettet, aber dein Sohn ist verloren. Nach Rom kehre
ich nie mehr zurück. Behalte statt meiner das Vaterland."
Am folgenden Tage führte Coriolan das stattliche Heer zurück
ins Volskerland. Ohne Freude wurde er empfangen. Die Volsker
hatten schon fest auf die Einnahme Roms gerechnet. Nun glaubten
sie sich von Coriolan betrogen und verraten, und aus Rache erschlugen
sie ihn.
Julius Cäsar.
Rom war zuerst von Königen beherrscht worden. Als einige
dieser Herrscher durch Ungerechtigkeit die Liebe des Volkes verloren
hatten, war dieses zur Gründung eines Freistaates (Republik) ge¬
schritten. Die Männer, welche an der Spitze der Republik standen,
hießen Konsuln. Die ersten Zeiten der Republik zeichneten sich durch
Einfachheit der Sitten und kraftvolles, entschlossenes Handeln aus.
Allmählich aber ging es mit der ernsten, stolzen Römertugend bergab.
Weichliches, üppiges Leben trat an Stelle der früheren Einfachheit,
Ehrlichkeit machte der Unehrlichkeit Platz. Die Besseren im römischen
Reich sehnten sich nach einem großen Mann, der fähig wäre, Ordnung
und Recht wieder herzustellen. Ein solcher schien gekommen in Cajus