Full text: Deutsches Lese-, Lehr- und Sprachbuch für Schule und Haus

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welche wohl mit Danksagung gegen Gott hätten genossen werden 
sönnen, stehen blieben und verachtet wurden. Er sanfte sich Wei߬ 
brot, Honigkuchen, Bonbons rc. und verbrachte damit seinen Lohn. 
Lange blieb er auch nicht bei einem Herrn, sondern ward bald ab¬ 
gedankt, weil er allenthalben Verdruß anrichtete. Als einst eine 
Theurung kam, bettelte Leckermaul auö Noth auch vor der Thür 
einer Herrschaft, deren Essen er oft verachtet hatte. Er erhielt ein 
Stück Brot mit der Bemerkung: „Früher verachtetest du gutes Es¬ 
sen und nichts war dir gut genug; nun straft dich Gott und du 
mußt darben und betteln." 
92. Der Verschwender. 
Als einstmals, im März die Sonne warm schien, Veilchen 
blühten und Lerchen sangen, da trat ein Schäfer vor seine Thür 
und sprach zu sich selbst: „Bist du nicht ein Thor, daß du den 
Heuboden so schonest? Was soll dir das Heu? Es wächst alle 
Tage mehr Gras zu und ist schon jetzt genug da, daß die Schafe 
leben können." Sogleich ging er in den Schafstall und hieb die 
Stangen entzwei, woraus das Heu lag, so daß es in großen Hau¬ 
fen in den Stall siel. Als die Schafe nach Hause kamen und die 
Menge Heu gewahr wurden, da suchten sie das Beste heraus, und 
das andre, welches sie, ordentlich und regelmäßig vorgelegt, wohl 
auch gefressen hätten, traten sie nun unter die Füße. Aber etwa 
nach acht Tagen änderte sich die Witterung, die Schafe mußten 
viele Tage zu Hanse bleiben, und der Schäfer gerieth in Gefahr, 
Hungers wegen seine ganze Schäferei zu'verlieren. 
93. Der durch Unordnung verarmte Bauer. 
Ein gewisser Bauer war verarmt, und keiner wußte, wie das 
zuging. Da war ein verständiger Mann im Dorfe, der sagte: 
„Das avill ich euch wohl sagen, Kinder! Den Mann hat der Lohn 
an die Handwerker zu Grunde gerichtet. Er mußte Geschirrholz 
kaufen, das war theuer; — und doch ließ er alles hölzerne Acker- 
geräthe im Schnee und Regen ans der Erde stehen nnb liegen, das 
war denn allemal verstockt und schadhaft. Lederzeug und Leinen 
lagen auf dem Fußboden im Stalle; das fragen die Natten. Die 
Joche und Stränge ließ er an den Pflügen im Felde, die verfaul¬ 
ten in kurzer Zeit. Sein ganzes eisernes Geräthe hatte der Nost 
gefressen; denn er sahe nicht darnach, wenn er cs aus der Hand 
legte. Dann mußte er neues anschaffen — und so ist er verarmt." 
Die Leute gaben dem Manne Recht und nahmen das Ihrige besser 
als vorher in Acht. 
94. Die schädliche Erbschaft. 
Ein Handwerksmann in einer kleinen Stadt hatte guten Ver¬ 
dienst und nährte sich von seinem Handwerke reichlich manches 
Jahr. Endlich starb sein Vetter, der ihm einen Weinberg im Tc-
	        
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