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nach selbst dem Beherztesten der Muth. Endlich brach der
schon langst im Stillen genährte Geist des Aufruhrs gewaltsam
hervor. Alles versammelte sich um den Admiral und verlangte
mit wildem Geschrei die Rückkehr; die Wüthendsten wollten
ihn über Bord in die brausenden Wellen werfen. Kolumbus
aber war mehr als jemals überzeugt, daß er sich nicht geirrt
habe und daß er sich in der Nähe des Landes befinde. Wind,
Landvögel, frisch abgeschnittenes Rohr und selbst ein Baumast
mit rothen Beeren verhießen ein baldiges und glückliches Ende
der Schifffahrt. Nur noch 3 Tage verlangte und erhielt er
von seinen Leuten Bedenkzeit. Schon waren 2 Tage von die¬
ser Frist vergangen und die Nacht des dritten war herange¬
brochen, als plötzlich um Mitternacht von dem voransegelnden
Schiffe der einstimmige Ausruf erscholl: ,,Licht! Land! Land!"
Alle stürzten einander in die Arme und weinten vor Freude.
Am Morgen des 12. Oktobers 1492 erkannte man deutlich
ein flaches, mit Holz bewachsenes Gestade; ein lautes Dank¬
lied ertönte aus dem Munde des Schiffsvolks, und Alle fielen
Kolumbus, um Verzeihung bittend, zu Füßen. Mit kriegeri¬
scher Musik ruderten die Spanier der Küste zu, warfen sich
hier betend nieder und küßten den Boden. Die Insel) wo
man gelandet war, nannten die Eingebornen Guanahani,
Kolumbus aber San Salvador (heiliger Erretter). So
war denn die Entdeckung der neuen Welt durch die tiefe Ein¬
sicht und die standhafte Beharrlichkeit des Kolumbus gemacht;
-— und was war sein Lohn dafür? — Er zog zwar bei sei¬
ner Rückkehr nach Spanien in Barcellona, der damaligen Re¬
sidenzstadt der Königin, im Triumphe ein, ward von dieser auf
das Glänzendste empfangen und bekam auch zu einer zweiten
und dritten Reise in die neue Welt, wo er noch viele Entde¬
ckungen machte, Schiffe und Mannschaft und die besten Ver¬
sprechungen mit auf den Weg. Aber kaum hatte man durch ihn
erreicht, was man erreichen wollte, kaum glaubte man ihn ent¬
behren zu können: so sing man an, seine Verdienste zu verklei¬
nern und seine Entdeckung herab zu würdigen. Seine Ma߬
regeln wurden getadelt, seine Schritte gemißdeutet, und jedes
unglückliche Ereigniß, wozu die Spanier oft durch ihre Hab¬
gier und grausame Behandlung der wehrlosen Eingebornen selbst
die Veranlassung gaben, ihm zur Last gelegt. Endlich gelang
es seinen Feinden, den Befehl zu seiner Verhaftnehmung aus¬
zuwirken. Ein gewisser Bob ad illa ward in dieser Absicht
nach Amerika, wo Kolumbus eben mit wohlthätigen Einrich¬
tungen beschäftigt war, gesendet. Ohne Verhör wurde er sei-