164 Kursus III. Abschnitt II. § 99.
Rotterdam, au der Nordmaas, unterhalb der Vereinigung derselben mit dem Leck, ist
der Haupthafen für die Landschaften des Mittel- und Niederrhein, der Ausfuhrhafen für die
landwirtschaftlichen und Jndustrieprodukte dieser Landschaften uud der Einfuhrhafen für die
Kolonialprodukte des holländischen Indien. Auf großen Schiffswerften wird das auf dem
Rhein herabgeflößte Holz verarbeitet.
Durch die in den Znidersee mündende Issel ist auch Amsterdam gleichsam
eine Rheinhasenstadt. Die Städte an der Issel selbst: Deventer, Zwolle und Kampen
sind lebhafte Jndnstrieplätze.
Amsterdam, die Hauptstadt Hollands, an der Amstel, welche die Stadt in 100 Kanälen
durchströmt, und am N, einer tiefen Seitenbucht der Zuidersee, hat sich nach der Entstehung
diefer Bucht aus einem Fischerdorf zu einer großen Handelsstadt entwickelt. Die Blüte
Amsterdams als erste Handelsstadt Europas fällt in die Zeit nach dem Sinken Ant-
werpens und nach der Erwerbung eines großen Kolonialbesitzes durch Holland. Wegen der
Untiefen und der Stürme der Zuidersee, welche besonders den größeren Seeschiffen den Zugang
nach Amsterdam sehr erschwerten, ist die Stadt (1819—25) durch den nordholländischen
Schiffahrtskanal mit der Nordsee verbunden worden; seit einigen Jahren steht die Stadt
durch den viel kürzeren und tieferen Nordseekanal mit dem Meere in Verbindung.
Von den Binnenorten sind Haarlem in der Nähe des trocken gelegten und
in ein fruchtbares Kornland verwandelten Haarlemer Meeres durch seiue
Seidenindustrie und großartige Blumenzucht, Leyden durch seiue berühmte Uni-
versität und Haag als Residenzstadt bedeutend.
Haart, ursprünglich ein Jagdschloß der Grafen von Holland, zur Zeit der Republik
Verfammlungsort der Generalstaaten, ist eine sehr junge Stadt (erst durch den König von
Holland, Louis Bonaparte zu einer solchen erhoben) mit schönen breiten Straßen und großen
Plätzen.
Nicht weit vom Haag liegt das vielbesuchte Seebad Scheveningen.
Die Bevölkerung Hollands gehört ausschließlich der germanischeu Nationalität an (Hol-
läuder, Friesen, Flamänder). Hinsichtlich der Konfession besitzt dieselbe eine geringere Einheit,
indem sie zu 1/s aus Katholiken (im 8.) und zu 2/s aus Protestanten (im N.) besteht.
Holland übertrifft mit Ausnahme von Belgien alle Staaten Europas an Bevölkerungs-
dichtigkeit (durchschnittlich 6800 Einwohner auf 1 Q.-M, 125 auf 1 qkm). Die ungleiche Ver¬
teilung der Bevölkerung im einzelnen wird ausschließlich durch die verschiedene Natur des
Bodens bestimmt. Während in den Moorlandschaften von Nordbrabant, Oberyssel, Drenthe,
Geldern und in den Heidegebieten von Nordbrabant nur 1500—2500 auf 1 Q.-M, 30—50
auf 1 qkm wohnen, weisen die Marschdistrikte und besonders das Rheindelta mit seinen
zahlreichen Städten eine beinahe ebenso massenhafte Bevölkerung auf, wie die am dichtesten
bevölkerten Gebiete Belgiens.
Neben dem Ackerbau, welcher sich nicht nur auf die Gewinnung von Brotfrüchten,
sondern auch auf die Kultur von Nutzpflanzen, Blumen und Gewächfen erstreckt, bildet die
Viehzucht einen wesentlichen Erwerbszweig der Bevölkerung. Während der Ackerbau den
Bedarf bei weitem nicht deckt, liefert die Viehzucht, welche durch die ozeanische Natur des
Landes in hohem Grade begünstigt wird, Käse, Butter und Schlachtvieh für die Ausfuhr.
Die Industrie ist aus Mangel an Erzen uud Kohlen unbedeutend und beschränkt sich
auf den Schiffsbau.
Die Hauptbeschäftigung der Bevölkerung und die wichtigste Quelle des Nationalreichtums
bildet der Handel; derselbe besteht in der Einfuhr der Produkte der holländischen Kolonieen
(Kaffee, Zucker uud Reis), mit denen die Holländer die Nachbarländer versorgen.