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Pols. Wer dort Hütten bauen will, muß sie aus Quadern von
Schnee und Eis bauen, wobei die Axt gar leicht wie Glas zerspringt.
Nähert der Schiffer sich der Eisregion des Polarmeeres, so
stellen sich bald auch warnende Zeichen ein. Schneeweiße Sturm- und
Eisvögel eilen ihm in Schaaren entgegen, in ihrem Zuge die Richtung
angebend, von woher das Meer die Schollen diesmal schickt, in ihrem
stummen Fluge mahnend, daß, wer nicht mit ihnen zöge, in die Ge¬
filde des Schreckens gerathe. Bald verräth ein weißer Glanz, der
Eisblink genannt, daß der Feind näher rückt. Das Quecksilber im
Thermometer erstarrt plötzlich, ein donnerähnliches Rauschen und Krachen
wird vernehmbar. Ob dieses aus der Lust, oder aus der Tiefe des
Wassers kommt, läßt sich nicht unterscheiden. Das Rauschen wird
immer stärker und furchtbarer. Die ersten Vorposten des Feindes
schlagen als lockeres Grundeis an das Schiff, und bald ist es um¬
ringt von größern und kleinern Eisschollen. Es gilt jetzt, jeden Schritt
mit der unglaublichsten Anstrengung dem immer mehr und von neuem
andringenden Feinde abzukämpfen. In tausenderlei Gestalten kommt
er heran. Tagelang schickt er erst kleinere Schollen, es sind seine
Kosakenschwärme. So weit das Auge reicht, zeigt sich oft nicht
eine Stelle, wo sie nicht wären. Mit diesen Schaaren ist der Kampf
noch zu bestehen, aber in ihrem Hintergründe stehen die Unbezwing¬
baren. Es sind Riesenschollen von einer solchen Größe, daß man sie
für Inseln gehalten, von einem solchen Umfange, daß manches deutsche
Land Platz darauf hätte. Steher, sie noch fest, dann mag sich der
Schiffer nicht bloß an ihrer Form ergötzen, an ihren Eisbergen und
Eisthälern, an ihren Eisschlössern und Eisgrotten; zum Aufjauchzen
entzückt ihn auch das kühne Farbenspiel dieser Inseln. Das stechend
blendende Weiß des Schnees wechselt mit dein völlig durchsichtigen Kry¬
stall des Eises, das im hellen Strahl der Sonne alle Regenbogen¬
farben tausendfach um sich streuet. Ein Feenland steht vor den
Augen, wie es nur die verwegenste Phantasie auszudenken vermag.
Selbst an lebendigen Wesen fehlt es nicht ganz. Jene Schlösser und
Thürme, jene Höhlen und Thäler, von Seehunden und Seerobben
werden sie bewohnt, die sich im Winter auf dem Eise herumtreiben;
von Eisbären werden sie durchstreift, die mit ihnen von einem Erd¬
theile zunr andern wandern; von Eis- und Sturmvögeln werden sie
besucht, die ihren Durst in dem süßen Wasser der Teiche löschen, die
in der kurzen, immer erleuchteten Sommerzeit enfftehen. Diese Bilder
erstrecken sich jedoch nicht weiter nach Norden, als bis zum 82. Grad.
Von hier bis zum äußersten Pole scheint alles Eis festzustehen, das
ganze Gefild ein ewiges, unveränderliches Einerlei.zu sein mit Grabes¬
stille und Todtenschauer. Aber wehe, wenn jene starren Riesen Leben
und Bewegung bekommen, wenn Sturm und Fluth sich noch mit ihrem
Vorrücken vereinen. Vor Kampflust schäumend, schicken sie mit schnell
aufeinander folgenden Donnerschlägen die Wogen hämmernd voraus