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an die Planken des Schiffes und rücken, wie ihrer Macht sich bewußte,
stolze Streiter mit eben so viel Majestät als Getöse nach. Hülstos
treiben dann die Schiffer- umher, jede Sekunde kann die letzte sein,
der nächste Augenblick Vernichtung oder Rettung bringen. Hier, in¬
mitten des empörten Elements, kann der Mensch nichts unternehmen;
er muß zusehen, wie die freundlichen und die feindlichen Eisschollen
um ihn den furchtbaren Kampf kämpfen und es den Schutzgeistern
seines Schiffes überlassen, ob sie ihn aus der gefahrvollen Schlacht
unversehrt herausführen. Der Athem will schier in der Brust vor
Angst ersticken, wenn das Auge das Zusammenstoßen zweier Eisschollen
in der Ferne gewahrt und das Ohr vor dem von Scholle zu Scholle
sich fortpflanzenden Gekrach nicht mehr das laute Kommando des nahe
stehenden Kapitains hört. Die Luft scheint ganz erfüllt zu sein von
diesem einen furchtbaren Knallen und Platzen. Geschieht es, daß die
Eisinseln zerschellen, so wird das Meer dadurch oft in eine so stür¬
mische Bewegung gesetzt, daß die größten Schiffe, welche sich in der
Nähe befinden, dem Untergänge nahe gebracht werden können, und
kleine Fahrzeuge noch in weiter Entfernung verschlungen werden. Wird
aber das Schiff von zwei gegen einander treibenden Eisschollen gefaßt,
so bleiben von ihm. nur die zerquetschten Holzfasern übrig.
Im Ganzen sind bis jetzt gegen hundert Entdeckungsreisen
in das nördliche Eismeer unternommen, fast sämmtlich von Englän¬
dern. Obgleich alle diese Versuche in Bezug auf den Hauptzweck
mißlangen, und eine Verbindung zwischen dem atlantischen
und großen Ocean durch das nördliche Eismeer für die
Schifffahrt immer noch nicht hergestellt ist, so entdeckte man doch eine
große Küstenstrecke und gewann wenigstens einiges durch Fischfang und
Pelzwerke. Es wurden Pelzkompagnien gestiftet, wie z. B. die Hnd-
sonskompagnie, und dadurch wurden zugleich die Küsten jener Län¬
der immer mehr und mehr erforscht. Die ersten bedeutenden Schritte
zur Beschiffung des Polarmeers geschahen schon von John Davis
(1585—1587) und von William Bassin (1615—1616). Im
Jahre 1831 machte John Roß die wichtige Entdeckung des mag¬
netischen Nordpols, woselbst die Magnetnadel eine senkrechte
Stellung einnimmt und in diesen Gegenden für die Schifffahrt un¬
brauchbar wird. Im Juli 1845 sandte die englische Regierung den
Kapitain John Franklin aus. Zwei Jahre waren verflossen, ohne
daß man etwas von ihm hörte. Da beschloß die Regierung eine
Expedition zur Auffindung des Verunglückten auszusenden. An der
Spitze stand der Kapitain James Clark Roß, im Mai 1847. Am
3. November 1849 kam er mit seinen beiden Schiffen wohlbehalten
wieder nach England zurück, ohne eine Spur von John Franklin ent¬
deckt zu haben. Er hatte in dem Eismeere länger als zwei Jahre
zugebracht und am Kap Leopold überwintert. Die beiden Schiffe,
welche hier 600 Fuß von einander entfernt lagen, wurden überdacht,