Full text: Lehr- und Lesebuch oder die Vaterlands- und Weltkunde

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Und immer lauter klagt herauf der Jammerruf der schwarzen Schaar, 
Des Schiffes Führer schaut ringsum mit finsterm Blick in die Gefahr. 
„Die Schwarzen holt! die Neger her! die Stärksten stellt ans Ruder dort! 
Hinlenket dann trotz Sturmeswuth den Kiel nach del Principe’s Port!" 
Das Eisen klirrt — aufprallt die Schaar! sie treten heulend aufs Verdeck! 
Aus ihrer Mitte ragt hervor des Stammes König, stolz und keck. 
„Die Bande löst ihm! der hat Mark! frisch hin zum Steuer, schwarzer Hund!" 
Die Fessel fällt, er hebt die Hand, vom Druck des Eisens blutig wund. 
Der König ist's, der seinem Volk den Frieden schaffte und das Recht, 
Der König ist's, der seinen Stamm geführt ins blutige Gefecht! 
Der König ist's, der durch Verrath gefallen in der Feinde Hand, 
Der König, der, mit seinem Heer, gefangen ward am Kongo-Strand! 
Und dann verkauft, dann fortgeführt! dem Weib, dem Kind kein Lebewohl! 
Den Lieben nicht, die er verließ, als jüngst er auszog von Angol! 
Ha! der Tyrannen Beute nun, gleich ihm geschleppt aufs wilde Meer, 
Wohl rufen flehend jetzt nach ihm die Armen, ohne Schutz und Wehr! 
Nach ihm, der am Koanza-Strand gesessen einst auf goldnem Thron, 
Der goldne Spangen trug am Arm und auf dem Haupt die Perlenkron'! 
Nach ihm, dem Knecht, dem Sklaven nun! — dem Sklaven? Ha, er trägt es nicht! 
Nein, König noch und fürchterlich, wenn seine Macht die Fesseln bricht! 
Wie rollt er wild die busch'ge Brau' — den Spanier trifft des Auges Strahl! 
So flammt des Wüstenkönigs Blick, wenn ihm geraubt sein Mittagsmahl! 
Er ballt die Faust — so droht der Leu! der Panther so zum Sprung bereit! 
Doch nicht der wild nach Blute lechzt, nein, der sich kühn vom Netz befreit! 
Er reckt den Arm nach seiner Schaar — gebietend winkt er nach dem Bord — 
Er springt hinab: — „Sieh, Weißer, sieh! der König führt sein Volk zum Port!" 
Dumpf heulen die Gefesselten, — ein Sturz — die Schaar begräbt das Meer! — 
Domingo's Bucht erreicht das Schiff, an Beute leicht, an Blutschuld schwer. 
36. Die Auswanderer. 
Des Dorfes steingefaßte Quelle, 
Zu der ihr schöpfend euch gebückt, 
Des Herdes traute Feuerstelle, 
Das Wandgesims, das sie geschmückt — 
Bald zieren sie im fernen Westen 
Des leichten Bretterhauses Wand; 
Bald reicht sie müden, braunen Gästen 
Voll frischen Trunkes eure Hand. 
Es trinkt daraus der Tscherokese, 
Ermattet, von der Jagd bestaubt; 
Nicht mehr von deutscher Rebenlese 
Tragt ihr sie heim, mit Grün belaubt. 
O sprecht! warum zogt ihr von 
dannen? 
Das Neckarthal hat Wein und Korn; 
Der Schwarzwald steht voll finstrer 
Tannen, „ 
Im Spessart klingt des Älplers Horn. 
Ich kann den Blick nicht von euch 
wenden; 
Ich muß euch anschau'n immerdar; 
Wie reicht ihr mit geschäft'gen Händen 
Dem Schiffer eure Habe dar! 
Ihr Männer, die ihr von dem Nacken 
Die Körbe langt, mit Brod beschwert, 
Das ihr aus deutschem Korn gebacken, 
Geröstet habt auf deutschem Herd; 
Und ihr, im Schmuck der langen Zöpfe, 
Ihr Schwarzwaldmädchen braun und 
schlank, 
Wie sorgsam stellt ihr Krüg' und Töpfe 
Auf der Schaluppe grüne Bank! 
Das sind dieselben Töpf' und Krüge, 
Oft an der Hcimath Born gefüllt; 
Wenn am Missouri alles schwiege, 
Sie malten euch der Hcimath Bild;
	        
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