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denen, so er zu richten hatte, gefährlich zu werden drohte. Mäcenas bemerkte
es, und da er vor dem Gedränge des Volkes nicht zu ihm kommen konnte,
warf er ihm ein Papier in den Schoos, auf dem er die Worte geschrieben
hatte: „Steh' endlich einmal auf, Scharfrichter!" Weit entfernt, eme solche
Freiheit übel zu nehmen, stand er augenblicklich auf und sprach Diejenigen
los, die er schon im Begriff gewesen war, zu verdammen. Noch rühmlicher
für ihn ist die Begnadigung , die er Cinna, Pompejus Enkel, angedeihen
ließ. Dieser hatte sich in eine Verschwörung - wider ihn eingelassen, die
jedoch entdeckt wurde, ehe sie zur Ausführung kam. Augustus war eine
Zeitlang mit sich uneins, wie er die Verschworenen behandeln sollte, aber
endlich siegte seine Milde. Er ließ die Schuldigen holen, gab ihnen einen
Verweis und beurlaubte sie. Cinna beschloß er durch noch größeren Edel-
muth zu besiegen. „Zweimal," sagte er unter vier Augen zu ihm, „habe
ich dir das Leben geschenkt, einmal als einem offenen Feinde, dann als
einem geheimen. Ich gebe dir jetzt das Consulat. Laß uns Freunde sein,
Cinna! Laß uns wetteifern, wer von uns Beiden den'Sieg davon tragen
werde, du mit deiner Treue oder ich mit meinem Zutrauen?" Dieser so
glücklich angebrachte Edelmuth bewirkte, daß von der Zeit an alle Ver¬
schwörungen wider ihn aufhörten.
In der Uebung solcher Tugenden verstrich Augustus lange, mehr denn
vierzigjährige Regierung, während welcher die Glückseligkeit der Völker mit
der seinigen auf's Innigste verschmolzen war. Nicht als ob in den fernen
Provinzen des Reiches die Kriege während seiner Regierung jemals auf¬
gehört hätten. Allein es waren im Grunde mehr Maßregeln, um Empö¬
rungen zu ersticken, als Versuche, die römische Herrschaft auszubreiten,
indem Augustus es sich zum Grundsatz gemacht hatte, nie für den Ehrgeiz,
sondern blos für die Sicherheit des Staates Krieg zu führen. In der That
scheint er der erste Römer gewesen zu sein, der sich durch die Tugenden
des Friedens einen Namen zu erwerben wußte, und der die Zuneigung der
Soldaten ohne eigene kriegerische Tugenden gewann. Nichtsdestoweniger
wurden unter seinen Legaten die römischen Waffen mit ihrem gewöhnlichen
Erfolge gekrönt. Augustus überlebte alle seine nächsten Verwandten. Jetzt
hatte er sein 74. Jahr erreicht. Ernstlich begann er nun daran zu denken,
wie er sich den Geschäften allmälig entziehen und Tibcrius zu seinem Ver¬
treter machen möchte. Er ersuchte den Senat, ihn nicht länger wie sonst
in seinem Palast zu besuchen, noch es übel zu nehmen, wenn er nicht mehr
auf dem bisher gewöhnlichen Fuß mit ihm umginge. Von der Zeit an
nahm er Tiberius zum Mitbcfehlshaber der Provinzen an und bekleidete
ihn mit beinahe gleichem Ansehen. Es war ihm jedoch nicht möglich, den
Geschäften gänzlich zu entsagen, die durch die vieljährige Gewohnheit ihm zum
Bedürfniß geworden waren. Bis zum letzten Augenblicke seines Lebens blieb
er der Freund seines Volkes und der aufmerksame Beförderer alles Dessen,
was zu seinem Wohlstände dienen konnte. Da es ihm in seinem hohen
Alter schwer ward, in den Senat zu gehen. so verlangte er, daß ihm
ein Ausschuß von zwanzig Privaträthcn auf ein Jahr sollte zugeordnet wer¬
den, und es ward beschlossen, daß alle Maßregeln, worüber sich diese mit
den Consuln vereinigen würden, gesetzliche Kraft haben sollten. Augustus
schien sein bevorstehendes Ende zu ahnden. Er machte sein Testament und
übergab es den vestalischen Jungfrauen. Dann feierte er die Volkszählung
und fand, daß die Zahl der römischen Einwohner sich auf 4,137,000 Seelen
belief, so hoch folglich, als die Volksmenge dreier der volksreichsten Städte
unseres Zeitalters. Während diese Feierlichkeit bei einem ungeheuern Zu¬
sammenlaufe des Volkes im Marsfelde vollzogen wurde, soll ein Adler
mehrere Male um den Kopf des Kaisers herumgeflogen sein, dann nach
Hepp. Vollständiges Lehr- und Lesebuch. - \o