68 Zweiter Abschnitt.
Oft aber war er in seinem Kerker der Verzweiflung nahe, wenn
die fortgesetzten Demütigungen, die trostlose Lage seines Landes und die
geringe Aussicht auf Befreiung ihn übermannten. Über einen solchen
Verzweiflungsausbruch berichtet der fjauptmann der wache einmal aus
Gudenarde, „daß der Landgraf seine Kleider am Leibe zerrissen und die
Spanier Schelm über Schelm gescholten und sie gern verursacht hätte, daß
einer ein Schwert durch ihn gestoßen, so daß er nicht anders gedenken
Könnte, wenn er nicht von Sinnen sei, so werde er doch bald davon
kommen". 3n ruhigeren Stunden suchte und fand er Trost im Evangelium,
wie er denn später selbst bekannte, daß er diese schwere Zeit nicht hätte
überstehen können, „wenn er nicht in seinem Herzen den aus (Bottes Wort
geschöpften Trost gefühlt hätte". Noch ist seine vielgebrauchte Bibel vor-
Dieß en. (Nach Vilichs Ansichten hessischer Städte, 1591.)
Handen, in der er zahlreiche Stellen mit Rotstift angestrichen hat, wie
z. B. das IDort im 5. Kapitel des Römerbriefes „Hoffnung läßt nicht zu¬
schanden werden". (Ein gleichzeitiges Volkslied, das des Landgrafen
traurige Lage besingt, legt ihm die Klage und zugleich den Rusdruck der
(Ergebung in den Mund:
„Schmer langweilig ist mir mein Zeit!
Zu Gudenarde in der Mauern
Bin ich in (Elen!) und in Leid
TITit schwerem Mut und Trauern.
Doch will ich zwar mich ganz und gar
stuf (Bottes Gnaden und Güte
verlassen dar und all mein Gefahr
Befehlen in Gattes Schutz und Hute."