Bey Menschen,' denen man wegen ihres Standes
oder Ranges eine besondere Verehrung schuldig ist, darf
man nicht unangemeldet in's Zimmer treten.
Wenn man vorgelassen wird, darf Man nicht weitet
an der Thüre klopfen, (welches in dem gegebenen Falle
auch unnütz wäre,) sondern man Muß ohne weiters und
ohne Getöse sittsam eintreten'und sogleich bey dem Ein¬
tritte ein paar tiefe Verbeugungen machen. Trifft man meh¬
rere Personen im Zimmer an, so muß die zweyte Verbeu¬
gung auf alle Gegenwärtige zugleich gerichtet seyn.
Es ist unhöstich, bey Menschen, die unseres Gleichen
nicht sind, und auf Ncspcckt Anspruch haben, in einem
nachlässigen Anzuge zu erscheinen; eben so unhöflich ist
es, mit aller Bequemlichkeit sich zu setzen, und im Sitzen
ein Bein über das Knie des andern zu schlagen.
Da die Titulatur mit zu den Gesetzen der Wohlan-
ftändigkeit gehöret, so fordert die Höflichkeit, dieselbe ge¬
nau zu beobachten, und sich im voraus nach der Titu¬
latur der Personen, mit denen man sprechen will, zu er¬
kundigen. Im Allgemeinen und in zweifelhaften Fällen
sey man in der Titulatur lieber zu freygebig, als zu spar¬
sam.
Im Sprechen muß man, wo solches möglich und
schicklich lst, seine Augen meistens auf die vornehmste Per¬
son in der Gesellschaft, und in Gesellschaften von Person¬
nen gleiches oder nicht sonderlich verschiedenen Ranges auf
den Herrn oder auf die Frau des Hauses richten.
Tragen uns vornehme Personen den Sitz, oder bey
der Tafel einen Platz an, so verbitte man sich solches auf
das erste Mahl mit einer tiefen, aber stummen Verberr-
gung; gehorsame jedoch ohne weiters bey einer zweyten
Zunöthigung. Wollen sie uns im Weggehen bis an die
Thüre des Zimmers, oder noch weiter, begleiten, so
wäre es unhöflich, sich dieß zu verbitten: man lasse es
vielmehr ohne Einwendung geschehen, und nehme es so