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darf man nicht, wie im Umgänge mit seines Gleichen,
nach ihrem Befinden, oder wie sie geschlafen re-, sich er¬
kundigen. Überhaupt muß man sich hüten, höhere Per¬
sonen um etwas geradezu zu fragen, indem eS Gemein-
machung verräth; ausgenommen, die Umstände machten
es unvermeidlich. In diesem Falle muß man aber zuvor
um Erlaubniß bitten, z. B. Erlauben Sie mir zu fra¬
gen re.
Es ist unhöflich, Personen, denen man Achtung
schuldig ist, eiusylbige Antworten mit Ja oder Nein zu ge¬
ben: man muß dieß allezeit in ganzen Sätzen thun. Ist
man in dem Falle, ihnen widersprechen zu müssen, so bit¬
te man zuvor um Vergebung.
Es laßt unhöflich und geckenhaft in Gesellschaft vor¬
nehmer Personen, noch mehr aber bey der Unterredung
mit ihnen, mit der Uhrkette zu spielen, die Busenkrause
oder das Halstuch zu recht zu richten,, sich das Kinn zu
streicheln, u. dgl. m.
Bey Menschen, die nicht unsere Freunde oder Be¬
kannte sind, sich an den Ofen zu stellen, und die Hände
oder gar den Rücken zu wärmen, ist unhöflich.
Unhöflich ist es, Jemanden im Reden nachzuhelfen,
und gleichsam dessen Einsager zu machen.
Wenn du auf der Gasse, oder spatzieren gehst, so
bedenke, daß auch da die Augen der Menschen auf dich
gerichtet seyn werden. Beobachte also auch da, wie
überall, was höflich, sittsam und artig ist. Unhöflich z. B.
wäre es, wenn du einer Person, indem du ihr im Be¬
gegnen eine Verbeugung machen mußt, gegen die rechte
Seite zu gehen wolltest, da du sie ihr zur linken machen
kannst und sollst.
Dieß sind die wichtigsten, aber bey weiten noch nicht
alle Höflichkeitsregeln. Das Hergebrachte und Übliche
in Bezug auf die Gesetze der Höflichkeit, so wie auch die Art
und Weise, mit Menschen umzugehen, lernet ntan am leich¬
testen und sichersten durch den Umgang selbst. Nur muß
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