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11. Dann zog ich weit und weiter hinaus, 13. So hatte die Sonn' eine Zunge nun;
kam her ins Land, bin jetzt zu Haus. der Frauen Zungen ja nimmer ruhn. —
Du weißt nun meine Heimlichkeit; „Gevatterin, um Jesus Christ!
so halte den Mund und sei gescheit! Laßt Euch nicht merken, was Ihr nun wißt!“
Die Sonne bringt's nicht an den Tag! Nun bringt's die Sonne an den Tag.
12. Wann aber sie so flimmernd scheint, 14. Die Raben ziehen krächzend zumal
ich merk' es wohl, was sie da meint, nach dem Hochgericht, zu halten ihr Mahl.
wie sie sich müht und sich erbost —; Wen flechten sie aufs Rad zur Stund'?
du, schau nicht hin und sei getrost! Was hat er gethan? Wie ward es kund?
Sie bringt es doch nicht an den Tag!“ Die Sonne bracht' es an den Tag.
v. Chamisso.
137. Ludwigs XIV. Einfluß auf Deutschland.
Vor dem dreißigjährigen Kriege war Deutschland das reichste und
mächtigste Land Europas. Wie ward das anders, nachdem sich Deu tschlands
Macht in diesem Kriege fast zu Tode geblutet hatte.
Namentlich Ludwig XIV. von Frankreich spielte mit dem armen Lande
fast nach Willkür; er wollte nicht nur im Innern Frankreichs Herr sein,
er wollte auch Herr sein in Europa. In seinem Übermut ließ er sich eine
Uhr machen, in welcher ein künstlicher französischer Hahn bei jedem Stunden—
schlag krähete; der deutsche Adler aber, welcher auch an der Uhr angebracht
war, zitterte bei diesem Krähen jedesmal am ganzen Leibe. Eine große
Statue hatte er verfertigen lassen, die ihn selbst darstellte, stehend auf
dem Nacken von vier gefesselten Sklaven, in deren Attributen man den
Kaiser, Spanien, Holland und Brandenburg deutlich erkannte. Das deutsche
Land Elsaß hatte er bereits, da erklärte er plötzlich, daß er zu alle dem,
was er vom heiligen deutschen Reich erobert habe, auch noch alles das
haben müsse, was jemals damit zusammengehangen, z. B. alle Klöster und
Ortschaften, die einmal im Lehnsverbande oder Erbvertrage mit Elsaß ge—
standen hätten, wäre dies auch tausend Jahre her. Hatten seine Rechts—
gelehrten einen solchen Ort in den Alten aufgefunden, so ließ er sogleich
die alten Wappen wegreißen und die Lilien aufpflanzen; dabei steckten
seine Soldaten wie Mordbrenner oft ganze Städte und Dörfer in Brand,
und während man in Regensburg auf dem deutschen Reichstag darüber
beratschlagte, erscholl auf einmal die Nachricht: Straßburg ist französisch.
Ludwig hatte die Stadt, als ihre Bürger auf der Frankfurter Messe waren,
überrumpelt. Straßburg, dieser Schlüssel von Oberdeutschland, von dem
Karl V. noch gesagt hatte, „wenn Wien und Straßburg zugleich bedroht
wären, so würde er unzweifelhaft zur Rettung von Straßburg hineilen“
— dieses wichtige Straßburg war französisch geworden, mitten im Frieden,
und der verräterische Bischof, Egon von Fürstenberg, hatte den König
Ludwig mit dem Gruße Simeons bei seinem Einzuge empfangen: „Herr,
nun lässest du deinen Diener in Frieden fahren; denn meine Augen haben
deinen Heiland gesehen.“ — Ludwig stellte sogleich viele Franzosen in
Straßburg an und ließ es dann durch ungeheure Festungswerke unein—
nehmbar machen. Er befahl, die deutsche Tracht abzulegen, und namentlich
den Frauen, sich streng nach der neuesten, französischen Mode zu kleiden,
um sie von ihren einfachen deutschen Sitten abzuziehen. Außer jenem