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Ein anderer Streit erhob sich zwischen dem obengenannten Augustinus
und Pelagius, einem gelehrten und frommen Geistlichen aus England.
Pelagius nämlich lehrte: weder das Gute, noch das Böse entstehe mit dem
Menschen selbst, sondern werde von-ihm aus eignem Antriebe vollbracht; die
Sünde Adam's sei nicht auf seine Nachkommen übergegangen und werde den¬
selben nicht zugerechnet; der Tod sei keine Strafe der Sünde; die menschliche
Natur sei unverdorben, wie die Adam's vor dem Sündensalle; die Sünde
entstehe aus dem Mißbrauche der Freiheit; der Mensch könne nicht allein
durch Christi Verdienst, sondern auch durch die Befolgung des göttlichen
Willens der Seligkeit würdig werden. Hierbei leugnete Pelagius keineswegs,
daß der Mensch der göttlichen Gnade und Hilfe bedürfe. Dagegen behauptete
aber Augustinus: die Sünde Adam's sei auf alle seine Nachkommen überge¬
gangen; daher sei der Mensch von Natur zu allem Guten untüchtig gewor¬
den und könne das Gute nur dann wollen und thun, wenn er vom gött¬
lichen Geiste wiedergeboren worden sei und neue Kräfte empfangen habe.
Der Tod sei aber die Strafe der Sünde. Dies führte den Augustinus zu
der noch strengeren Lehre, daß der eine Theil der Menschen nach dem unbe¬
dingten, unerforschlichen Rathschlusse Gottes zur ewigen Seligkeit, der andere
Theil aber zum Bösen und zur ewigen Verdammniß bestimmt sei. Bei dem
großen Ansehen, welches Augustinus unter den Bischöfen in Afrika und in
der abendländischen Kirche überhaupt genoß, brachte er es dahin, daß die
Lehre des Pelagius auf mehren Kirchenversammlungen als ketzerisch verwor¬
fen wurde. Hatte nun gleich Augustinus in diesem Streite gesiegt: so gab
es doch auch rn späterer Zeit noch viele Lehrer der Kirche, welche ihm zwar
in vielen Stücken folgten, aber die Lehre von jenem unbedingten Rathschlusse
Gottes nicht billigten. Glücklicherweise entstand ungeachtet der Verschieden¬
heit der Ansichten über den Ursprung der Sünde und über die Gnade keine
Spaltung in der Kirche. — Weit schlimmere Wirkungen brachte dagegen der
Streit über die Bilder im 8. und 9. Jahrhunderte hervor. Schon frühzei¬
tig hatte man die Kirchen mit Bildern von Jesu Christo und seiner erhabenen
Mutter Maria, mit Bildern der Apostel und Blutzeugen geschmückt. Man
verweilte vor denselben, wie recht und billig, mit frommer Andacht und stärkte
sich durch ihren Anblick in dem Vorsatze, mit gleicher Treue für das Evange¬
lium zu leben und zu sterben. Allein nur zu bald kam die Zeit, wo die
unbedachtsame Menge nicht mehr vor diesen Bildern, sondern zu denselben
betete. _ Unverständige und eigennützige Priester priesen das Beten vor den
Reliquien und Gräbern der Märtyrer höher, als die Anbetung Gottes im
Geiste und in der Wahrheit. Einige wohlmeinende Kaiser des Morgenlandes
hielten diese Verirrung für eine Rückkehr zum Heidenthume und geboten des¬
halb die Abstellung derselben. Allein sie verfuhren dabei zu gewaltsam.
Denn statt das irrende Volk zu belehren und nur widersetzliche Priester zu
warnen und zu bestrafen, ließen sie die Bilder aus den Kirchen fortschaffen
und zertrümmern. Dadurch entstand ein heftiger Kampf zwischen den Bilder¬
verehrern und den Bilderzerstörern. Blutiger Hader und Empörung von
Stadt zu Stadt durch das ganze morgenländische Reich waren die Folge da¬
von.^— Aber "während dieser Kämpfe stand außer der Kirche ein neuer ge¬
waltiger Feind derselben auf, nnd auch in ihrem Innern erhob sich eine ihr
verderbliche Macht.
6. Muhamed.
In Arabien, der großen Halbinsel des südlichen Asien?, zwischen dem
arabischen und dem persischen Meerbusen, lebten heidnische, jüdische und christ¬
liche Stämme im bunten Gemische. In diesem Lande trat Muhamed auf
(geb. i. I. 569 zu Mekka). Von Jugend auf zeigte der Jüngling Geist und