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c. Johann Huß (1373 bis 1415).
Wiclef's Schriften trugen besonders in Böhmen reiche Früchte; denn hier
wurden sie auf der berühmten Universität Prag häufig gelesen. Hier war
es, wo Gott einen Mann erweckte, welcher ohne Furcht die Wahrheit ver¬
kündigte. Das war Johann Huß, geb. am 6. Juli 1373 in dem Markt¬
flecken Hussinez (s. v. Prag). Sein Vater starb frühzeitig; aber der edle
Grundherr des Dorfes und andere Gönner nahmen sich des Knaben an und
ließen ihn für die Wissenschaft erziehen. Zuerst wurde Huß in einem Klo¬
ster von Mönchen unterrichtet; in seinem 16. Jahre bezog er schon die Univer¬
sität Prag, wohin ihn seine Mutter begleitete. Im 20. Jahre (1393) wurde
er Lehrer, nach 3 Jahren schon Magister der freien Künste und zwei Jahre
später wurde er zum Professor der Philosophie ernannt. Im I. 1402 ward
Huß an eine Kapelle, Bethlehem genannt, als Prediger und auch als Beicht¬
vater der Königin Sophia berufen. Die Böhmen hatten sich überhaupt dem
Papste nicht durchgängig unterworfen und waren außerdem damals vom
deutschen Reiche noch unabhängig. Huß hatte durch einen sehr gelehrten und
beredten Freund, Hieronymus, aus dem Geschlechte v. Faulfisch,_ Wi¬
clef's Schriften bekommen. Er las dieselben eifrig und verglich sie _ mit der
heiligen Schrift. Da fand er denn, daß die Lehren der römischen Kirche mit
groben Irrthümern gemischt seien und widersprach mit überzeugenden Worten
dem Papste und der Priefterschast sehr freimüthig. Er strafte ihr laster¬
haftes, müßiges Leben; nannte sie blinde Wächter, stumme Herolde, langsame
Läufer, unwissende Aerzte und lahme Fechter. Der böhmische König Wenzel
schützte den Wahrheitsfreund gegen die darauf folgenden Beschwerden des
Erzbischofs und der Priester. In diese Zeit fiel eine Begebenheit, die für
unser Sachsen sehr wichtig war. Auf der Universität Prag waren Lehrer
und Schüler in 4 Nationen getheilt, in Böhmen, Sachsen, Bayern und Polen.
Die Deutschen hatten einen überwiegenden Einfluß, die Böhmen fühlten sich
zurückgesetzt. Dazu kam, daß die böhmische Partei wiclesitlsch gesinnt war,
während die Deutschen meist der römischen Kirche anhingen. Die Folge da¬
von war, daß gegen 5000 Professoren und Studenten Prag verließen, 2000
von ihnen nach Leipzig wanderten und hier den 2. December 1409 die
Gründung einer neuen Universität veranlaßten. (Auch zu Ingolstadt, Er¬
furt, Rostock und Krakau wurden aus demselben Grunde zu jener Zeit Uni¬
versitäten gegründet.) Die römische Geistlichkeit verbreitete nun bei dem Volke
das Gerücht, daß Huß jene Störung verursacht habe. Doch dieser wußte sich
in einer Predigt zu rechtfertigen. Huß sprach seine Ansichten jetzt immer
offener aus. Er lehrte: „Nicht der Papst, sondern blos die Schrift könne
in Glaubensangeleaenheiten entscheiden; die Bibel lehre nichts von den Klö-
- stern; durch das Fasten könne kein Mensch die Seligkeit erlangen; die Per¬
ehrung der Bilder sei Abgötterei, und Christus habe bei der Einsetzung'des
Abendmahls keineswegs gewollt, daß der Kelch nicht gereicht werde." Solche
Wahrheiten machten allgemeines Aufsehen. Der Papst Alexander V. verbot
ihm, diese^ Lehren weiter zu verbreiten. Der Erzbischof von Prag verlangte
Wiclef's Schriften von ihm und ließ sie verbrennen. Huß wurde nach Rom
gefordert, aber König Wenzel untersagte ihm die Reisß. Er sprach: „Huß
sei eine Gans (Huß — Gans), die goldene Eier lege." '"Dann wurde Huß'in
den Bann gethan, und er selbst ging eine Zeit lang in seinen Geburtsort
(1412). Auf Befehl des Kaisers Sigismund, Wenzel's Bruder, reis'te
Huß 1414 zur Kirchenversammlung nach Costnitz oder Constanz am Bodensee.
Man versprach ihm sicheres Geleit; aber bald nach seiner Ankunft warf man
ihn in ein abscheuliches Gefängniß. Bei seinem Verhöre widerlegte er muthig
alle Beschuldigungen; jedoch man überschrie ihn, und als er nicht widerrufen