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sehen. Leider benutzte er dasselbe nicht bloS zur Förderung religiöser und
sittlicher Zwecke, sondern suchte auch die weltlichen und bürgerlichen Verhält¬
nisse zu verbessern. Der Papst Alexander VI. ließ dem gefährlichen Manne
den Cardinalshut anbieten, um ihn für sich zu gewinnen. Er aber antwor¬
tete: „Er begehre nur den rothen Hut eines Märtyrers." Florenz ward nun
mit dem Bannflüche belegt; unter dem Geläute der Todtenglocken wurde das
Urtheil dort vorgelesen. Aber die Gunst des Volkes wandte sich. Die Jugend
haßte ihn, weil er sie in der Genußsucht störte; die Vornehmen waren er¬
bittert, weil er ihnen die Leitung des Staates entrissen hatte; das Volk selbst
war unzufrieden, da er eine Hungersnoth nicht abwenden konnte. Man
eiferte nun gegen ihn als einen Ketzer und Gebannten; doch er blieb uner¬
schrocken mit seinem getreuen Häuflein. Endlich ward er nebst seinen Schülern
Domenico und Maruffi in den Kerker geworfen und grausam gefoltert. Un¬
ter den Qualen rief er schmerzlich aus: „Es ist genug, Herr, so nimm du
meine Seele!" Ja er betete sogar für seine Peiniger. Vor den Richtern
schwieg er stille, da er von ihrem Hasse keine Gerechtigkeit zu erwarten hatte.
Der Papst Alexander VI. sagte sogar: „Dieser Mensch muß sterben und wenn
er ein Johannes der Täufer wäre!" Zum Tode verurtheilt, reichte sich
Savonarola selbst das Abendmahl und ging mit seinen beiden Schülern ge¬
trost zum Richtplatze, wo er am 23. Mai 1498 gehängt und dann verbrannt
wurde. Sein Andenken ist in unserer Zeit erneuert worden; denn auf dem
großartigen Lutherdenkmale zu Worms hat man auch dem edlen Savonarola
eine ehrenvolle Stelle eingeräumt. —
Allein es waren nicht blos einzelne Männer und Gesellschaften, welche
die Sache des Evangeliums gegen dessen Gegner vertraten; sondern es ver¬
einigten sich auch viele Umstände, die Wiederherstellung desselben vorzuberei¬
ten. Die Habsucht, Anmaßung und Herrschsucht der Päpste erbitterte selbst
diejenigen, welche treu an der Kirche hielten. Vorzüglich schadete es aber den
Päpsten, daß sie sich durch Philipp den Schönen, König von Frankreich, be¬
wegen ließen, von 1309 an ihren Wohnsitz zu Avignon in Frankreich zu
nehmen, und daß sie bis 1378 daselbst geblieben sind. Denn daraus entstand
nach ihrer Rückkehr nach Rom eine Spaltung, weil die französischen Cardi¬
näle den Papst in Rom nicht anerkannten, sondern demselben einen von
ihnen gewählten entgegenstellten. So gab es zwei, ja einmal sogar drei
Päpste, von denen jeder der rechtmäßige und der unfehlbare sein wollte, und
jeder den andern verdammte. Diesem Übel glaubte man durch eine allge¬
meine Kirchenversammlung, welche über dem Papste stehe, abhelfen zu können
und verlangte zugleich nach einer Verbesserung der Kirche an Haupt und
Gliedern (Papst und Geistlichkeit). Schon die Kirchenversammlung zu
Pisa in Italien 1409 und, als es dieser nicht gelungen war, die zu Cost-
nitz (1414 bis 1418) sollte das große Werk ausführen. Aber man brachte
es nur bis zur Absetzung der drei Päpste, wählte aber für die abgesetzten
einen neuen. Dieser ließ klüglich Alles beim Alten. Ebensowenig richtete
die Kirchenversammlung zu Basel in der Schweiz 1431 bis 1449 aus. Dies
kam daher, daß die höhere Geistlichkeit ihren Vortheil darin fand, mit dem
Papste zusammenzuhalten, und von gründlichen Verbesserungen Nachtheile für
sich selbst befürchtete. Daher schien am Ausgange des 15. Jahrhunderts die
Gewalt der Päpste mehr als je befestigt zu sein. Dennoch war nach dem
werfen Rathe der Fürsehung die Reformation im Stillen schon vorbereitet.
Selbst die blutigsten Verfolgungen hatten die Anhänglichkeit an das reine
Evangelium Jesu nicht austilgen können; die Wissenschaften hatten einen
neuen Aufschwung genommen; .Amerika's Entdeckung (1492) brachte eine
Menge nützlicher Kenntnisse in Umlauf; der Bürgerstand war durch Gewerbe
und Handel wohlhabend und mächtig geworden. Und ohne es zu wollen,