Full text: Lesebuch in Lebensbildern für Schulen (3)

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still betend schlief er ein und gab seinen Geist dem Gott zurück, dessen 
Herrlichkeit in der Abendsonne zu schauen, seine letzte Erdenfreude ge¬ 
wesen war. Dinier. 
161. Des Rudi Mutter stirbt. 
Der arme Rudi saß eben bei seinen vier Kindern Vor drei 
Monaten war seine Frau gestorben, und jetzt lag seine Mutter ster¬ 
bend auf einem Strohsack und sagte zu ihm: 
Suche mir doch den Nachmittag etwas Laub in meine Decke, 
ich friere. 
O Mutter, so bald das Feuer im Ofen erloschen sein wird, will 
ich gehen. 
Die Mutter. Hast du auch noch Holz, Rudi? Ich denke wohl, 
nein; du kannst nicht in den Wald von mir und den Kindern weg. 
O Rudi! ach, ich bin dir zur Last. 
Rudi. O Mutter, Mutter! sag' doch das nicht, du bist mir 
nicht zur Last. Mein Gott! mein Gott! Könnte ich dir nur auch, 
was du nöthig hast, geben. — Du durstest, du hungerst und klagst 
nicht. Das geht mir an's Herz, Mutter. 
D. M. Gräme dich nicht, Rudi! Meine Schmerzen sind, Gott 
Lob! nicht groß; und Gott wird bald helfen, und ment Segen wird 
dir lohnen, was du mir thust. 
R. O Mutter! noch nie that mir meine Armuth so weh, als 
jetzt, da ich dtr Nichts geben und Nichts thun kaun. Ach Gott! so 
krank und elend leidest du und trägst meinen Mangel. 
D. M. Wenn man seinem Ende nahe ist, so braucht man wenig 
mehr auf Erden, und was man braucht, gibt der Vater im Himmel. 
Ich danke ihm, Rudi; er stärkt mich in meiner nahen Stunde. 
R. (in Thränen.) Meinst du denn, Mutter, du erholest dich nicht 
wieder? 
D. M. Nein, Rudi! gewiß nicht. 
R. O mein Gott! 
D. M. Tröste dich, Rudi! Ich gehe in's bessere Leben. 
R. (schluchzend.) O Gott! 
D. M. Tröste dich, Rudi! Du warst die Freude meiner Jugend 
und der Trost meines Alters. Und nun danke ich Gott! Deine Hände 
werdett jetzt bald meine Augen schließen. Dann werde ich zu Gott 
kommen, und ich will für dich beten, und es wird dir wohlgehen 
ewiglich. Denk' an mich, Rudi. Alles Leiden und aller Jammer die¬ 
ses Lebens, wenn sie überstanden sind, machen Einem nur wohl. Mich 
tröstet und mir ist wie heilig Alles, was ich Überstauden habe, so gut, 
als alle Lust und Freude des Lebens. Ich danke Gott für diese frohe 
Erquickung der Tage meiner Kindheit; aber wenn die Frucht des Le¬ 
bens im Herbste reifet, und wenn der Baum sich? zum Schlafe des 
Winters entblättert, dann ist das Leiden des Lebens ihm heilig, und 
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