Full text: Lesebuch in Lebensbildern für Schulen (3)

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Mit diesem besprach er sich über allerlei Gegenstände. Sie fin¬ 
gen selbst an, einander ihre schriftlichen Aufsätze gegenseitig mitzuthei¬ 
len. Franklin kaufte einen Theil des „Zuschauers," ein Buch, das 
ihm vortrefflich geschrieben zu sein schien. Beim Lesen desselben zog 
er sich den Inhalt eines jeden Satzes in kurzen Worten aus und ver¬ 
suchte dann nach einigen Tagen, ohne wieder ins Buch zu sehen, die 
Gedanken mit seinen eigenen Worten anzuführen. Darauf verglich er 
seine Sätze mit den Originalsätzen, entdeckte seine Fehler und ver¬ 
besserte sie. Durch diese Uebung, die so ganz seine Erfindung war, 
erwarb er sich den schönen, ungekünstelten Stil, der nachher seine 
Schriften auszeichnete. 
Die Zeit, welche er auf diese Sprachübungen verwenden konnte, 
war spät Abends, oder in der Frühe, ehe er die Tagesarbeit begann. 
Eine medicinische Schrift, die er gelesen hatte, brachte ihn auf 
den Gedanken, daß es für die Gesundheit zuträglicher sei, bloß von 
Pflanzennahrung zu leben. Er genoß daher von jetzt an nur Früchte, 
Brot und Wasser, kaufte für sein erübrigtes Geld Bücher und ftudirte, 
wenn seine Kameraden aßen und sich vergnügten. 
So fuhr Franklin fort, als Buchdruckergehilfe, als Herr einer 
Druckerei und in den Staatsämtern, die ihm seine Landsleute nach¬ 
her anvertrauten, sich durch Lesen guter Schriften nützliche Kenntnisse 
zu erwerben. — 
247. Selbstbeherrschung. 
Der russische General Suwarow, den die Türken und Polaken, 
die Italiener und die Schweizer wohl kennen, der hielt ein strenges 
Kommando. Aber was das Vornehmste war, er stellte sich unter sein 
eigenes Kommando, als wenn er ein Anderer und nicht der Suwarow 
selber wäre, und sehr oft mußten ihnl seine Adjutanten dieß und jenes 
in seinem eigenen Namen befehlen, was er alsdann pünktlich befolgte. 
Einmal war er wüthend aufgebracht über einen Soldaten, der im 
Dienst etwas versehen hatte und fing schon an, ihn zu prügeln. Da 
faßte ein Adjutant das Herz, dachte, er wolle dem General und dem 
Soldaten einen guten Dienst erweisen, eilte herbei und sagte: „Der 
General Suwarow hat befohlen, man solle sich nie vom Zorne über¬ 
nehmen lassen." Sogleich ließ Suwarow nach und sagte: „Wemlls 
der General befohlen hat, so muß man gehorchen." 
Der Mensch muß eine Herrschaft über sich selber ausüben können, 
sonst ist er kein braver und achtungswürdiger Mensch, und was er 
einmal für allemal als recht erkennt,'das muß er auch thun; aber nicht 
einmal für allemal, sondern immer. Hebel. 
248. Willenskraft. 
Eine ausgezeichnete Eigenschaft des Sokrates war seine Seelen¬ 
ruhe, welche kein, auch noch so unangenehmer Vorfall stören konnte. 
Von Natur stürmisch und heftig, war die Mäßigung, welche er sich
	        
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