240
III. Geschichtsbilder.
den erfüllte die Hoheit seiner Erscheinung
selbst mächtige und trotzige Widersacher.
Nichts entging seinem scharfen Blicke
und seinem lebhaften Geiste; mit be¬
wundernswürdiger Sicherheit traf er bei
schwierigen Rechtsfallen den entscheiden¬
den Punkt. Das Leben ließ ihm wenig
Zeit, die stillen Künste des Friedens
zu üben, doch umgab er sich gerne mit
Klerikern von .ausgezeichneten Geistes¬
gaben und erfreute sich an ihren wissen¬
schaftlichen und künstlerischen Leistungen.
Er war mitleidig und freigebig, beson¬
ders gegen die Geistlichen und die
Armen; vor Allem zu Speier wußte
man davon noch lange zu erzählen. So
mißtrauisch fein Gemüth war, so verzieh
er doch leicht, nur zu leicht Feinden
und Gegnern, wenn sie seine Gnade
anriefen; selbst Meuchelmörder, die gegen
ihn gedungen waren, ließ er straflos
von dannen ziehen. Eine durch und
durch hochstrebende Natur hätte er in
andern Zeiten ein Hort für die Nation
sein können. Seinen durchdringenden
Verstand, seine rastlose Thätigkeit haben
selbst seine Feinde anerkannt. So lange
er ein Heer hinter sich hatte, überließ
er gerne seine Sache der Waffenent¬
scheidung. Nie ist er selbst vom Kampfe
zurück geblieben; meist sah man ihn
mitten im Schlachtgetümmel. Im Siege
war er dem Feinde furchtbar; aus der
Niederlage raffte er sich schnell empor.
114. Eroberung Jerusal
Nachdem die Kreuzfahrer 5 Wochen
lang vor Jerusalem gelegen und die
nöthigen Vorbereitungen gemacht hat¬
ten, begann der Sturm. Zuerst schleu¬
derten sie aus all ihrem Geschütz Pfeile
und große Steine gegen die Mauer;
allein ihre Kraft ging an den Säcken
voll Stroh und Spreu, an dem Flecht¬
werk und andern weichen Gegenständen
verloren, welche die Belagerten zum
Schutze aufgehängt hatten. Kühner, als
könnte persönlicher Muth allein ent¬
scheiden, nahten hierauf die Pilger den
Mauern; aber Steine und Balken schmet¬
terten sie zu Boden, brennende Pfeile
setzten ihr Kriegszeug in Brand, hin-
Nicht selten faßte er im Mißgeschick über¬
eilte Entschlüsse und gab verloren, was
noch zu retten schien; niemals aber ließ
er sein letztes Ziel aus dem Auge, nie¬
mals ruhte er, einen andern Weg zu
demselben zu finden, wenn ihm der
eine versperrt war.
Sein Ziel war: die ererbte Macht
herzustellen und neu zu befestigen, eine
wahrhaft kaiserliche Gewalt zu üben
und seinem Sohne dereinst zu überlie¬
fern. Eine vollständige Restauration des
alten Kaiserthums in seiner ganzen
Machtfülle trotz der Verbreitung der
neuen kirchlichen Ideen, trotz des gestei¬
gerten Selbstbewußtseins der fürstlichen
Herren sah er als die Aufgabe seines
Lebens an. Ihre Lösung überstieg seine
Kräfte; die neuen Mächte waren kräf¬
tiger, als die Erinnerungen der alten
Zeit.
Allerdings hat Heinrich manches Un¬
glück, das ihn traf, selbst verschuldet.
Sein Mißtrauen gegen Jedermann, sein
Trotz im Siege, seine Verzagtheit in
unvorhergesehenen Gefahren, seine Un¬
stetigkeit im Verhalten gegen Freund
und Feind sind für ihn die Quellen
unsäglicher Leiden geworden. Die Haupt¬
ursache seines Mißgeschickes aber war
und blieb, daß er gegen geistige Mächte
kämpfte, welche die Zeit beherrschten
und deren volle Bedeutung er selbst
kaum erfaßte.
ns durch die Kreuzfahrer.
abgeworfene Gefäße, mit Schwefel und
kochendem Oele gefüllt, vermehrten die
Gluth, und durch unaufhörliches Gießen
von Wasser, durch Anstrengungen aller
Art konnte man die Gefahren nicht be¬
siegen, sondern kaum hemmen. So ver¬
ging der erste Tag ohne Entscheidung,
und nur ein Umstand erhöhte den Muth
der Christen: daß die Saracenen un¬
geachtet aller Bemühungen nicht im
Stande waren, das Kreuz zu verletzen,
welches man auf dem Thurme Gott¬
frieds von Bouillon errichtet hatte. Die
Nacht verfloß in gegenseitiger Furcht
eines Ueberfalles und die Wachen wur¬
den verdoppelt; Wenigen aber war es