Full text: Deutsches Lesebuch für Mittelschulen

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III. Geschichtsbilder. 
den erfüllte die Hoheit seiner Erscheinung 
selbst mächtige und trotzige Widersacher. 
Nichts entging seinem scharfen Blicke 
und seinem lebhaften Geiste; mit be¬ 
wundernswürdiger Sicherheit traf er bei 
schwierigen Rechtsfallen den entscheiden¬ 
den Punkt. Das Leben ließ ihm wenig 
Zeit, die stillen Künste des Friedens 
zu üben, doch umgab er sich gerne mit 
Klerikern von .ausgezeichneten Geistes¬ 
gaben und erfreute sich an ihren wissen¬ 
schaftlichen und künstlerischen Leistungen. 
Er war mitleidig und freigebig, beson¬ 
ders gegen die Geistlichen und die 
Armen; vor Allem zu Speier wußte 
man davon noch lange zu erzählen. So 
mißtrauisch fein Gemüth war, so verzieh 
er doch leicht, nur zu leicht Feinden 
und Gegnern, wenn sie seine Gnade 
anriefen; selbst Meuchelmörder, die gegen 
ihn gedungen waren, ließ er straflos 
von dannen ziehen. Eine durch und 
durch hochstrebende Natur hätte er in 
andern Zeiten ein Hort für die Nation 
sein können. Seinen durchdringenden 
Verstand, seine rastlose Thätigkeit haben 
selbst seine Feinde anerkannt. So lange 
er ein Heer hinter sich hatte, überließ 
er gerne seine Sache der Waffenent¬ 
scheidung. Nie ist er selbst vom Kampfe 
zurück geblieben; meist sah man ihn 
mitten im Schlachtgetümmel. Im Siege 
war er dem Feinde furchtbar; aus der 
Niederlage raffte er sich schnell empor. 
114. Eroberung Jerusal 
Nachdem die Kreuzfahrer 5 Wochen 
lang vor Jerusalem gelegen und die 
nöthigen Vorbereitungen gemacht hat¬ 
ten, begann der Sturm. Zuerst schleu¬ 
derten sie aus all ihrem Geschütz Pfeile 
und große Steine gegen die Mauer; 
allein ihre Kraft ging an den Säcken 
voll Stroh und Spreu, an dem Flecht¬ 
werk und andern weichen Gegenständen 
verloren, welche die Belagerten zum 
Schutze aufgehängt hatten. Kühner, als 
könnte persönlicher Muth allein ent¬ 
scheiden, nahten hierauf die Pilger den 
Mauern; aber Steine und Balken schmet¬ 
terten sie zu Boden, brennende Pfeile 
setzten ihr Kriegszeug in Brand, hin- 
Nicht selten faßte er im Mißgeschick über¬ 
eilte Entschlüsse und gab verloren, was 
noch zu retten schien; niemals aber ließ 
er sein letztes Ziel aus dem Auge, nie¬ 
mals ruhte er, einen andern Weg zu 
demselben zu finden, wenn ihm der 
eine versperrt war. 
Sein Ziel war: die ererbte Macht 
herzustellen und neu zu befestigen, eine 
wahrhaft kaiserliche Gewalt zu üben 
und seinem Sohne dereinst zu überlie¬ 
fern. Eine vollständige Restauration des 
alten Kaiserthums in seiner ganzen 
Machtfülle trotz der Verbreitung der 
neuen kirchlichen Ideen, trotz des gestei¬ 
gerten Selbstbewußtseins der fürstlichen 
Herren sah er als die Aufgabe seines 
Lebens an. Ihre Lösung überstieg seine 
Kräfte; die neuen Mächte waren kräf¬ 
tiger, als die Erinnerungen der alten 
Zeit. 
Allerdings hat Heinrich manches Un¬ 
glück, das ihn traf, selbst verschuldet. 
Sein Mißtrauen gegen Jedermann, sein 
Trotz im Siege, seine Verzagtheit in 
unvorhergesehenen Gefahren, seine Un¬ 
stetigkeit im Verhalten gegen Freund 
und Feind sind für ihn die Quellen 
unsäglicher Leiden geworden. Die Haupt¬ 
ursache seines Mißgeschickes aber war 
und blieb, daß er gegen geistige Mächte 
kämpfte, welche die Zeit beherrschten 
und deren volle Bedeutung er selbst 
kaum erfaßte. 
ns durch die Kreuzfahrer. 
abgeworfene Gefäße, mit Schwefel und 
kochendem Oele gefüllt, vermehrten die 
Gluth, und durch unaufhörliches Gießen 
von Wasser, durch Anstrengungen aller 
Art konnte man die Gefahren nicht be¬ 
siegen, sondern kaum hemmen. So ver¬ 
ging der erste Tag ohne Entscheidung, 
und nur ein Umstand erhöhte den Muth 
der Christen: daß die Saracenen un¬ 
geachtet aller Bemühungen nicht im 
Stande waren, das Kreuz zu verletzen, 
welches man auf dem Thurme Gott¬ 
frieds von Bouillon errichtet hatte. Die 
Nacht verfloß in gegenseitiger Furcht 
eines Ueberfalles und die Wachen wur¬ 
den verdoppelt; Wenigen aber war es
	        
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