Full text: Deutsches Lesebuch für Mittelschulen

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rv. Naturbilder. 
wohin sie sich bei vollem Einbrüche der 
Nacht vor ihren Feinden, den Katzen 
und Eulen, zurückzieht. 
Weit merklicher macht sich uns der 
Maikäfer. Stumpf und unbehilflich 
hängt er den Tag über an den Blättern 
der Büsche und Bäume und frißt sie 
bis auf die nackten Rippen ab. Kaum 
bricht indeß der Abend herein, so raffen 
sich die schweren Thiere auf, ihre dumpfe 
Sinnlichkeit tritt zurück, wie von einem 
höhern Fluge erfaßt lüften sie die har¬ 
ten Flügeldecken, die zarten, feinaderi¬ 
gen Unterflügel entfalten sich und in 
stoßweisem Fluge geht es bald hier, 
bald dort hinaus in die blaue Abend¬ 
luft. In seiner selbstvergeffenen Schwär¬ 
merei» prallt hier einer an einen Baum¬ 
stamm, dort einer gegen eine Wand, 
und ein dritter gar wider unsere Stirne. 
Auch der fchwarzblaue glänzende Ro߬ 
käfer, welcher des Tags auf staubiger 
Landstraße den Unrath durchkrochen, ver¬ 
läßt Abends seine unsaubere Werkstätte, 
zu schwerfälligem Fluge in gewichtigem 
Panzerkleide sich aufraffend. Dabei surrt 
er recht vergnüglich, und dem Land¬ 
mann, besonders wenn er Heu auf der 
Wiese liegen hat, ist dieser Ton gar 
erwünscht, weil das Umherschnurren des 
Mistkäfers einen schönen Tag verheißt. 
Daß eine große Zahl von Schmetter¬ 
lingen in der Dämmerung oder zur 
Nacht unhörbaren Fluges die Luft durch¬ 
irret, weiß jeder Schmetterlingssammler 
und der gewaltige, gelb und braun ge¬ 
fleckte und gebänderte Nachtfalter mit 
dem geheimnißvollen Todtenkopfe auf 
dem Rücken nimmt in allen Sammlun¬ 
gen den ersten Platz ein. 
Treten wir nun in die Zweifache 
Nacht des Waldes. Da begegnen wir 
zuerst dem Dieb der Diebe, dem ver¬ 
schlagenen Fuchse. Mißtrauisch, wie 
einer, der ein böses Gewissen hat, schleicht 
er aus dem Dickicht, welches ihn den 
Tag über verborgen. Er hat weder 
einen einfachen Gang, noch einen ge¬ 
raden Weg. Eilig und gewandt eilt er 
am langsameren Dachse vorüber und 
wirst einen Seitenblick auf den schwer¬ 
fälligen Burschen, der mit einer Maus, 
einem Frosche gar vorlieb nimmt; und 
sonderlich freundlich grüßt ihn dieser 
auch nicht, denn die beiden stehen mit 
einander nicht auf gutem Fuße und 
gehen sich aus dem Wege. 
Noch ein anderer Waldgenoffe läuft 
dem Fuchse öfter in den Weg. Der 
scheint gewaltigen Respekt vor dem Roth¬ 
haarigen zu haben; denn kaum hat er 
ihn erblickt, so erhebt er sofort das 
Panier, aber dies ist nur das Hasen¬ 
panier. Ueber Stauden und Stöcke 
entweicht der furchtsame Lampe und erst 
nach geraumer Zeit wagt er es, sich zu 
setzen und seine ohnehin nicht kurzen 
Ohren noch mehr zu spitzen. Erst wenn 
er sich ganz sicher weiß, unternimmt er 
seinen nächtlichen Raubzug aufs neue 
gegen die fetten Krautköpfe, den saftigen 
Klee und die frischen Saaten. 
Siehe, da funkeln von einem Baum¬ 
aste herab zwei feurige Kugeln! Es 
sind die Augen der wilden Katze, die 
dort oben nach den Vögeln späht, dieje 
im Neste überrascht und mit scharfen 
Krallen festhält, wie sie sich auch sträu¬ 
ben und mit den Flügeln schlagen mö¬ 
gen. Aber sie ist nicht allein, dort 
aus der Felskluft funkelt noch ein starres 
Augenpaar. Es erhebt sich, zieht ge¬ 
räuschlos durch die Luft; ein Katzenkopf 
scheint es, der zauberhaft sich erhebt. 
Aber der Kopf gehört der Eule an, die 
nach jungen Hasen, Vögeln und Mäu¬ 
sen auszieht. Ein durchdringendes Ge¬ 
schrei macht diesen Nachtvogel der Furcht 
und dem Aberglauben nur noch schreck¬ 
hafter. Aber neben dem Diebs- und 
Mordgesindel des Waldes hält ein Zar¬ 
tes Geschöpf Wacht und flötet die be¬ 
zaubernden Melodien aus dem dichten 
Busche in die stille Mondnacht hinaus. 
Wer hätte sich nicht schon ergötzt an 
dem wechselvollen, unvergleichlichen 
Schlage der Nachtigall, die als Königin 
des Gesanges die entheiligte Nacht gleich¬ 
sam wieder weihet durch die Innigkeit 
ihrer Weisen. 
III. 
Vom März bis in den Weinmonat 
streicht Abends und Nachts die Schnepfe 
aus den bujchigen Waldungen auf Wie¬ 
sen und Aecker, dort unter Maden, 
Negenwürmern und Schnecken ihre Nah¬ 
rung zu suchen und kehrt früh Morgens
	        
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