39. München.
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luftigere, unmuthigere Straßen wandeln,
als man sie in München trifft. Die beiden
aroßartigsten sind unstreitig die Ludwigs¬
und die Maximiliansstraße, letztere eine
Schöpfung des Königs Maximilian II.; beide
in der Nähe der königlichen Residenz von
verschiedener Richtung her einmündend. Die
Gegend in der Nähe der Residenz ist
überhaupt diejenige, von der ans man sich
am ersten zurecht finden kann; weßhalb wir
sie uns auch etwas genauer anschauen wollen.
An das alte, unscheinbare, fast düstere Schloß
haben sich prachtvolle Neubauten angeschlos¬
sen: der Königsbau und der Festsaal¬
bau, der erstere dem Max-Josephplatz und
der letztere dem Hosgarten zugewendet. Die
Kunst hat das Innere mit meisterhafter bild¬
licher Darstellung geschmückt; die Krone aller
Schönheiten ist der große prachtvolle Thron¬
saal, geziert mit zwölf überlebensgroßen,
aus Erz gegossenen und prachtvoll vergol¬
deten Standbildern von Ahnen des bayer.
Königshauses, von denen drei die Zeichen
der deutschen Kaiserwürde in den Händen
tragen. Im rechten Winkel zu dem Königs¬
bau erhebt sich die Giebelfronte des Hof-
und Nationaltheaters; der freie Platz zwi¬
schen beiden Palästen, der Max-Joseph-
Platz, trägt das Standbild des Königs Max
Joseph I., in sitzender Stellung, sein Volk
segnend. In der Nähe, gegenüber dem alten
Schlosse, ist die Feldherrnhalle mit den
Statuen Tilly's und Wrede's. Von der
Feldherrnhalle aus führt die Ludwigsstraße
bis zum Siegesthor, auf welchem eine von
vier Löwen gezogene Bavaria thront. Die
Ludwigsstraße ist eine Straße von großar¬
tigen Palästen, wir nennen nur: die Staats-
Bibliothek, die Universität, das Priester¬
seminar, die Ludwigskirche, das Blinden-
Jnstitut und das Damenstistsgcbäude. Die
Marimiliansstraße ist reizend durch das
wohlthuende Grün der Alleen und Garten¬
anlagen, das liebliche Farbenspiel der Ra¬
senplätze, Blumenbeete und Springbrunnen,
welche die regelmäßig zu beiden Seiten wie¬
derkehrenden rechtwinkeligen Einschnitte zie¬
ren. Von deren Prachtbauten ragen beson¬
ders hervor: das neue Regierungsgebäude,
der neue Münzanbau, das Nationalmuseum.
Auf massiver Brücke die Isar überschreitend,
steigt sie zu dem in würdigster Weise sie
abschließenden Maximilianeum empor. Von
diesem aus ziehen sich die lieblichen Gar¬
tenanlagen hin, in welche König Max II.
den vorher öden Gasteig umwandeln ließ.
;— Von den vielen Palästen Münchens will
ich nur die bedeutendsten noch anführen:
den im gothischen Style erbauten Wittels-
bacher-Palast, die Glyptothek, für die
Sammlungen alter Meisterwerke der Bild¬
hauerkunst, die beiden Pinakotheken, die
alte für die Sammlungen altdeutscher, alt¬
niederländischer, italienischer und französisch-
spanischer Gemälde, die neue für Bilder
neuerer Meister seit Ansang dieses Jahr¬
hunderts. Unter den Kirchen ragen außer
den schon genannten hervor: die Mariahilfer -
kirche in der Vorstadt Au im gothischen Styl
mit herrlichen Glasmalereien, die Basilika
zum hl. Bonisacius mit trefflichen Wand¬
gemälden, die reiche neue Hofkapelle oder
Allerheiligenkirche, die protestantische Kirche.
Großartig ist auch der neue Thorbau der
Propyläen in der Briennerstraße. An Mo¬
numenten ist München besonders reich. Außer
dem Monument Maximilians I. finden wir
in der Ludwigsstraße das des Königs Lud¬
wig I., zu Pferde^ sitzend, im königlichen
Ornate, von der Stadt München errichtet;
auf dem Wittelsbacher-Platz die Reiterstatue
des Kurfürsten Maximilian's I., aus dem
Karolinenplatz den 100 Fuß hohen Obelis¬
ken, zur Erinnerung an die in Rußland
gefallenen 30,000 Bayern; auf dem Pro¬
menadeplatz die Standbilder des Kurfürsten
Max Emanuel's, der Tonkünstler Gluck
und Orlando di Lasso, des Geschichtsschrei¬
bers Westenrieder und des Staatsmannes
Kreitmayer; in der Maximiliansstraße end¬
lich die Monumente des Feldherrn Deroy
und des Philosophen Schellmg. Eine neue
Zierde Münchens wird das Denkmal für
Maximilian II. werden, welches diesem
„König mit dem besten Herzen" sein
treues Volk errichtet. —
Wahrlich, man wird müde vom vielen
Wandern und Schauen, und man sehnt
sich nach Erholung in Gottes freier Natur.
Aber die Umgebung von München ist ja
so öde! So sagt man; und im Ganzen
kann das schon als richtig gelten. Aber
deßhalb fehlt es nicht an freundlichen Orten,
die dem Naturfreund Genuß und Erholung
bieten. Wird uns der Staub und die Hitze
der Stadt zu lästig, so wandern wir durch
den Hofgarten, den englischen Garten ent¬
lang an die Isar, oder in den zoologischen
Garten. Da haben wir eine schattige Kühle,
so erfrischend, wie nur irgendwo im Ge¬
birge; oder wir gehen die Isar-Auen auf¬
wärts zur Menterschweige, von wo wir
die kühne Ueberbrücknng der Isar bei Gro߬
esselohe und das reizende Schwaneck uns
eschauen können. Jedenfalls aber versäu¬
men wir nicht, über die Theresienwiese zur
Ruhmeshalle zu pilgern. Hier haben wir
eine entzückende Aussicht vor uns: im Sü¬
den erblicken wir die Spitzen der Alpen,
deren schneebedeckte Hörner mächtig in den