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A. Theoretischer Teil. 
des Anschauungsunterrichts finden, welche ihrerseits wieder in der Regel 
mit den Jahres- und Festzeiten in Übereinstimmung gebracht sind. Darum 
herrscht auch hier rechte Freude. Die Kinder sind mit Hellen Augen und 
frohen Herzen beim Gesang. 
Choräle, die mit ihrer getragenen, monotonen Tonfolge dem lebhaften 
Charakter des Kindes nicht entsprechen, findet man nur noch vereinzelt in 
den Lehrplänen des 1. Schuljahrs. Hingegen macht sich immer noch ein 
rechter Mangel an Spielüedern, namentlich solchen, mit denen entsprechende 
Bewegungen verbunden werden können, geltend. 
Das Zeichnen tritt bis heute nur vereinzelt auf. Und doch ent¬ 
spricht es der Kindesnatur und bietet eine äußerst wertvolle Unterbrechung 
des Unterrichtsverlaufs. Viele Pädagogen haben es vom 1. Schuljahr fern¬ 
gehalten, weil sie die Kinder noch für unfähig hielten, etwas Brauchbares 
und Wertvolles zu leisten. Man unterschätzt den Wert einer äußerlich 
vielleicht unscheinbaren Zeichnung. Die beim Entstehen derselben vor¬ 
herrschenden Geistestätigkeiten sind jedoch von hervorragendem Werte. Jede 
Zeichnung erfordert eine Reproduktion der Vorstellungen, welche sich an der 
fertigen Zeichnung aus ihre Richtigkeit prüfen lassen. Mit der Reproduktion 
wird aber die Vorstellung befestigt. Zur Gesichtsvorstellung tritt nunmehr 
die Bewegungsvorstellung und die neue Vorstellung des selbstgezeichneten 
Bildes hinzu. Das Interesse am Gegenstand wird durch das Interesse der 
zeichnerischen Darstellung wesentlich gesteigert. Dieses Interesse veranlaßt 
das Kind, daheim die Zeichnungen wiederholt zu entwerfen, wodurch die 
Vorstellungen weiter befestigt werden, eine Erscheinung, die man vom sprach¬ 
lichen Reproduzieren in diesem Umfange nicht konstatieren kann. 
Die zeichnerische Wiedergabe erstreckt sich jedoch nur auf zwei Dimen¬ 
sionen. Bei der Wiedergabe der dritten Dimension entstehen, da es sich 
hier um perspektivische Verkürzungen handelt, die Schwierigkeiten, und das 
Kind fühlt unangenehm die Grenze seiner Leistungsfähigkeit. 
Diese Schwierigkeiten werden beim Modellieren vermieden. Es ist 
das einzige Mittel einer kindlichen Wiedergabe der Gegenstände in körper¬ 
licher Form und deshalb unentbehrlich. Zugleich entspricht es den Neigungen 
des Kindes dieses Alters. Trotzdem haben die bisherigen Lehrpläne ihm 
keinen Eingang in die Elementarklasse gestattet. 
So kommt es, daß unsere Lehrpläne unter einseitiger Betonung for¬ 
meller Fertigkeiten die Erfassung der Sache behindern, oder sie fälschlicher¬ 
weise der Übermittelung der Form folgen lassen. Erst muß das Kind Vor¬ 
stellungen haben, ehe es sprechen lernen kann, und erst muß es sprechen 
können, ehe es Veranlassung hat, zu schreiben, oder Geschriebenes zu lesen. 
.Ebenso muß das Zählen dem Erfassen der Dinge und das Rechnen dem Er¬ 
fassen der Zahlgrößen folgen. 
Hat nun schon das Ausstellen verfehlter Ziele und die Auswahl un¬ 
geeigneter Stoffe dem Lehrplane der Grundklasse das Gepräge des Un¬ 
gesunden gegeben und die Schulbildung der Anfänger der natürlichen Unter¬ 
lagen beraubt, so wird das Übel noch wesentlich gesteigert durch die mangel¬ 
hafte, häufig gänzlich unterlassene Verknüpfung der Stoffe. Der Gedanken¬ 
kreis des Kindes soll ein einheitlicher sein. Viele Lehrpläne lassen aber die
	        
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