fullscreen: Auswahl deutscher Gedichte

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Die neuhochdeutsche Sprache ist bezüglich der Reimfähigkeit der einzelnen Wörte 
nicht eben günstig gestellt; einerseits nämlich wegen des allzusehr vorherrschenden 
Vokales e“,; andererseits wegen der Härten in Konsonantenanhäufungen, 3. Bn 
spornt, schwärmt — lärmt. 
der chte Reim heißt ein Gedankenreim, wenn in den gereimten Wörtern 
zugleich ein Zusammenhang der Begriffe stattfindet; z. B. Schutz Trutz; hegen — 
pflegen. Wird in einem Reime ein Vokal oder ein Konsonant mit einem andern 
oͤber gar Konsonant und Vokal mit ähnlichen vertauscht, so ist der Reim ein un 
reiner, z. B; Meer — Herr (esser: hehrß; müssen — grüßen (esser: küssen) 
Ein schöner Reim soll wohlklingend, edel und natürlich un darf aber auch nie 
Veranlassung geben, daß man gegen ein Gesetz des Stils oder Silbenmaßes, oder 
gar gegen die Sprachrichtigkeit verstößt. 
Hlnsichtlich des Silbenmaßes gibt es dreierlei Reime: männliche (tumpfe) 
we ibliche lingende), und endlich gleiten de Reime 7 
Ein mannlichet Reim enehn wenn wel Slen betont auftreten; z. B. Zein 
— bereit; ein weiblicher Reim enisteht, wenn außer den betonten Silben auch die 
solgende unbetonte übereinstimmt; B.: wallen — zerfallen; ein gleitender Reim 
aber, wenn noch zwei unbetonte Siben übereinstimmen;: z. B.: Storbliche verderb⸗ 
liche; schweigenden — neigenden ꝛ. 
Nach ihrer Stellung im Verse zerfallen die Reime in 
a) Endreime; z. B. Übers Meer hin zittern auf und nieder 
Glockentöne, Orgelklang und Lieder ꝛc. GGrün) 
b) Anfangsreime; z. B. Klinget der Flöten süßer Klang 
Hell durch die Abendkühle, 
Schwinget sich rasch das Tal entlang 
Lustiges Tanzgewühle ꝛc. Prutz.) 
e) Binnenreime; z. B.: Was klinget und singet die Straß' hinauf? 
Uhland.) 
oder: Im Winde die Linde, die rauschet mich ein gemach. 
Geibel.) 
d) Kettenreime, in denen das Ende eines Verses mit der Mitte des folgen⸗ 
den gleichlautet; z. B.⸗ 
Es war noch Mai, du hast sie gebrochen, 
In Blumen angesprochen, selber Blüte 
Was blühend im Gemüte schon sich regte ꝛc. 
(F. von Schlegel.) 
e) Doppelreime, in denen zwei oder mehrere Wörter eines Verses mit den ent⸗ 
sprechenden des andern gleichlauten; z. B. 
Gezogen von Wogen, 
Die euch nicht gehorchen, 
Getragen von Klagen 
So heute wie morgen ꝛc. 
(Gr. Ida Hahn-Hahn.) 
) Das Echo; z. B.: Geh', mein Roß, auf grüner Weide! — Leidel 
Ach, was bleibt mir nun noch offen! — Hoffen! 
Saat ihr mir ein Wort, ihr Winde? — Finde! 
oder: Hör', Echo, du im Tale drunten! — unten! 
Baumzweige über meinem Haupte droben — oben! 
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