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Seitdem habt ihr Flüsse und angeschwollene Regenbäche durchwatet, im
Schlamm habt ihr die Nächte zugebracht. Ihr littet zum Teil Mangel an
Lebensmitteln, da die grundlosen Wege und der Mangel an Fuhrwerk deren
Nachfuhr verhinderten. Mit Kälte, Nässe, Entbehrung und zum Teil mit
Mangel an Bekleidung habt ihr gekämpft; dennoch murrtet ihr nicht und
verfolgtet mit Anstrengung den geschlagenen Feind. Habt Dank für ein
so hoch lobenswertes Betragen; nur derjenige, der solche Eigenschaften vereinigt,
ist ein echter Soldat.
103 Kanonen, 250 Munitionswagen, des Feindes Lazarettanstalten, seine
Feldschmieden, seine Mehlwagen, ein Divisionsgeneral, zwei Brigadegenerale,
eine große Anzahl Oberste, Stabs- und andere Offiziere, 1800 Gefangene,
zwei Adler und andere Trophäen sind in euren Händen. Den Rest derjenigen,
die euch in der Schlacht an der Katzbach gegenüber gestanden haben, hat der
Schreck vor euren Waffen so sehr ergriffen, daß sie den Anblick eurer Bajonette
nicht mehr ertragen werden. Die Straßen und Felder zwischen der Katzbach und
dem Bober habt ihr gesehen; sie tragen die Zeichen des Schreckens und der Ver¬
wirrung eurer Feinde.
Laßt uns dem Herrn aller Heerscharen, durch dessen Hilfe ihr den Feind
niederwürfet, einen Lobgesang singen und im öffentlichen Gottesdienste ihm
für den uns gegebenen herrlichen Sieg danken. Ein dreimaliges Freudenfeuer
beschließe die Stunde, die ihr der Andacht weihet. Dann sucht den Feind
aufs neue auf!
Löwenberg, den 1. September 1813.
Blücher.
Blüchers Brief an feine Gemahlin nach der Schlacht bei Leipzig.
Gestern konnte ich nicht schreiben, ich war zu müde; aber mein Freund
Gneisenau hat an Dich geschrieben und Dir gesagt, daß ich gesund bin. Den
16. Oktober habe ich dem Feinde vor Leipzig bei dem Dorfe Möckern wieder
eine Schlacht geliefert, 4000 Gefangene gemacht, 45 Kanonen, einen Adler
und verschiedene Fahnen erobert. Den 18. warf ich den Feind nach Leipzig
hinein und nahm 4 Kanonen. Den 18. und 19. ist die größte Schlacht ge¬
liefert, die je auf der Erde stattgefunden hat; 600000 Mann kämpften mit¬
einander. Um 2 Uhr nachmittags nahm ich Leipzig mit Sturm; der König
von Sachsen und viele Generale der Franzosen wurden gefangen, der pol¬
nische Fürst Poniatowsky ertrank. 170 Kanonen wurden erobert, und gegen
40000 Mann sind gefangen. Napoleon hat sich gerettet, aber er ist noch
nicht durch. Diesen Augenblick bringt meine Kavallerie wieder 2000 Mann,
die ganze feindliche Armee ist verloren. Der Kaiser von Rußland hat mich
in Leipzig auf öffentlichem Markte geküßt und den Befreier Deutschlands
genannt; auch der Kaiser von Österreich überhäufte mich mit Lob, und mein
König dankte mir mit Tränen in den Augen.