Full text: Für die dritte Bildungsstufe (Theil 3)

Um sich blickt und mit Ungeduld in den Nachten des Waldes 
Suchet, Jesum vielleicht! Muth seh' ich, entschlofs'nere Kühnheit 
Seh' ich in seinem Gesicht. Aufrichtig sagt es mir Alles, 
Was, vom fühlenden Herzen entflammt, die Seele gedenket." 
„Dieser ist Simon Petrus," erwiederte Seraph Orion, 
„Einer der größten. Mich wählte, daß ich ihn beschütze, der Mittler. 
Wie du sagtest, so ist auch mein Freund. Du solltest ihn immer 
Nebst mir in jedem kleinen Betragen, in Jesu Gesellschaft, 
Wenn er freudig ihn hört, auch wenn er am fernen Gestade, 
Nicht vor dem Auge des Göttlichen mehr, doch von meinem begleitet, 
Schlummert, verloren in Traumen von Gott, da immer ihn sehen, 
Seraph, du würdest sein fühlendes Herz noch göttlicher nennen. 
Einst, als Jesus die Jünger befragte, für wen sie ihn hielten, 
Sprach er: Du bist Christus, der Sohn des lebenden Gottes! 
Dieses sagt' er und weinte vor Freude. Wir weineten, Seraph, 
Mit dem Glücklichen, als er es kaum vor Wonn' und vor Wehmuth 
Aussprach. Aber hatt' ich nur nicht, ach, selbst aus des Mittlers 
Munde von Petrus gehört: Du wirst mich dreimal verlaugnen! 
Traurige Worte, was sagtet ihr mir? Ach, Simon, mein Bruder. 
Hörtest du sie? Und wenn du sie hörtest, wie ward dir's im Herzen? 
Simon, du sagtest zwar kühn, du wolltest nie ihn verlaugnen, 
Deinen Erlöser und Gott! Doch Jesus sagt' es noch einmal. 
Wenn du es wüßtest, wie mir mein Herz in Trauer zerfließet, 
Denk' ich daran, du stürbst viel lieber, als daß du den besten, 
Deinen getreusten, unsterblichen Freund unedel verkanntest. 
Aber du weißt ja, wie Jesus dich liebt, du sahst ja sein Auge, 
Das voll göttlicher Huld bei diesen Worten dich ansah; 
Simon Petrus, du wirst ihn doch nicht unedel verkennen?" 
Selia hört' ihn. Den Seraph durchdrängen zärtliche Kummer. 
„Nein," sagt' er zu ihm, „nein, theurer Orion, er wird nicht 
Seinen getreusten, unsterblichen Freund unedel verlaugnen! 
Schau ihn nur an, welch' redliches Herz dies Angesicht ausdrückt! 
Aber wer ist Jener, der dort auf männlicher Stirne 
Feuer zur Tugend und zürnenden Haß der Laster verbreitet. 
Unerbittlich dem sklavischen Sünder, der Gott verkennet? 
Ist er nicht Simons Vertrauter? O wie er um ihn sich beschäftigt! 
War' er sein Bruder, so könnt' er ihm nicht vertrauter begegnen!" 
Sipha, sein Engel, redete jetzt: „Du irrest nicht, Seraph, 
Dieser ist Simons Bruder, Andreas. Sie wuchsen zugleich auf, 
Und Orion und ich erzogen der Jünglinge Seelen 
Neben einander mit Sorgsamkeit auf. Oft hab' ich ihn damals, 
Wenn mit Zärtlichkeit Beide die liebende Mutter umarmte, 
Unvermerkt zu jener vollkommneren Liebe gebildet, 
Die er dereinst dem großen Messtas heiligen sollte. 
Als ihm Jesus am Jordane rief, da war er noch einer 
Bon den Jüngern Johannes. Noch klang ihm die Rede Johannes 
Bon dem kommenden Mittler am immer hörenden Ohre, 
Als ihn mit seinem durchdringenden Blick, voll segnender Liebe, 
Jesus berief. Ich hab' ihn gesehen; göttliches Feuer 
Drang gewaltig in ihn, er flog dem Messias entgegen!"
	        
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