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haben wir oben kennen gelernt. Es giebt aber noch ein anderes mächtiges folge¬
reiches Strömen, welches gleichwohl beim ersten Anblick unbedeutend erscheint.
Bekanntlich dehnt die Warme alle Körper aus und die Kalte zieht sie zusam¬
men , so daß das flüssige Quecksilber bei abnehmender Temperatur sich auf einen
immer kleineren Raum zusammenzieht, dichter wird und bei 40° Kälte in einen festen
Zustand übergeht. So auch bei dem Wasser; es wird immer schwerer, bis es 3" 4'
erreicht, und nach genauen Untersuchungen hat das Meer unter allen Breiten in
einer Tiefe von 3600 Fuß eine unveränderliche Wärme von 3" 4' bis 40. Sinkt nun
die Temperatur noch tiefer, so dehnt sich das Wasser wieder aus und ist bei 0°, wo es
gefriert, wieder leichter. Die Folge dieses eigenthümlichen Verhältnisses zur
Wärme ist nun eine gar wunderbare. Inder Tiefe behält das Wasser seine unabänder-
licheWärme; so wie ein Wassertheilchen stärker abgekühlt wird, so steigt es aufwärts
und macht dem etwas wärmeren Platz, und erst wenn es die Oberfläche erreicht hat,
kann es Eis werden. — Wäre dem nicht so, würde , das Wasser im Augenblick seines
Gefrierens am schwersten sein, so würde es vom Grunde des Meeres aus gefrieren.
Alle Gewässer der nördlichen Breite wären im Winter in massives Eis verwandelt,
und keine noch so intensive Sonnenhitze würde im Stande sein, diese Eismassen wie¬
der zu schmelzen; unbewohnbar wären die kalten und gemäßigten Zonen und alles
Leben der Erde würde sich um den Aeguator herumziehen. Nun aber schützt die
Eisdecke, als schlechter Wärmeleiter, das Wasser der Tiefe vor dem Gefrieren und
das Element behält seine Flüssigkeit. — So veranlaßt der Wärmezustand des
Wassers eine doppelte Bewegung: bis zur Temperatur von +0'4 steigt das wär¬
mere und leichtere Wasser allmälig in die Höhe und das kühlere sinkt in die Tiefe.
Von 304 abwärts tritt das Entgegengesetzte ein. Jenes findet vorzugsweise an den
Tropen, dieses an den Polen statt. Die Wirkung von beiden: aber erstreckt sich über
die ganze Erde.
Unter der senkrechten Sonne am Aeguator verdampfen vorzüglich jene großen
Wassermassen, welche die Wolken bilden, von einem Meeresspiegel, welcher Jahr aus
Jahr ein eine Temperatur von 21—22° hat; fortwährend steigt das erwärmte
Wasser an die Oberfläche, um sich hier zu verflüchtigen, und dieser unausgesetzte
Verlust wird dadurch ersetzt, daß beständig von den Polen her die kälteren
Wasser nachströmen. Dadurch wird das ganze Meerwasser in Bewegung gesetzt,
und darauf wirken nach außen die Passatwinde, welche das Wasser von seiner Rich¬
tung ablenken und von Osten nach Westen um die Erde treiben, aber vom Meeres¬
boden modifizirt, und es ergiebt sich hieraus eine Bewegung, welche auf den Verkehr
der Völker einen unendlich wichtigen Einfluß hat, indem sie die Schiffe bald ihrem
Ziele zutreiben, bald hemmend ihnen entgegenwirken. — Zwischen dem 80 und
1000 östlich von Paris kommt ein starker Strom kalten Wassers vom Südpole,
wendet sich an der Westküste von Neuholland links und geht fast in der Richtung
des Südostpassates quer durch den indischen Ocean bis an die afrikanische Küste;
hier steigt er, abermals links gewendet, an derselben herab, drängt sich um das Cap
der guten Hoffnung herum und dann gegen Nordosten. Von der Angolaküste ab¬
lenkend, streicht der Strom quer über den atlantischen Ocean nach Südamerika,
wo ihn das Cap Roque in einen südlichen und nördlichen Arm spaltet. Der nörd¬
liche fällt in den Kessel des Merikanischen Meerbusens und erscheint austretend bei
Florida als der warme Golfstrom, welcher seine südliche Temperatur und Pro¬
dukte bis an die Westküste von Europa führt, indem er als wärmeres Wasser über
die von der Grönländischen Küste abwärts strömenden kälteren und schwereren
Gewässer weggeht. Diese letzteren führten einmal eine wenige Meilen von der Süd¬
spitze Grönlands ins Wasser geworfene Flasche sicher bis an die Küste von Tene¬
riffa. — Unter dem 160° bis 220° östlich von Paris brauset ein zweiter mächtiger