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Neuer Mord machte die vierte Nacht zu einer schrecklichen. Einige Spanier,
Italiener und Neger, welche letzteren die andern überredet hatten, daß Afrika nicht
fern liege und daß sie, wenn die Küste erreicht wäre, ihre Kameraden gefahrlos
durch das Land führen wollten, hatten sich verschworen, alle Uebrigen ins Meer zu
werfen. Ein Spanier machte den ersten Angriff mit einem Messer; die Matrosen
warfen ihn ins Meer, und ein zunächst stehender Italiener sprang bei diesem Anblick
angstvoll nach; der übrigen wurde man Herr. — Dreißig Personen waren jetzt nur
noch vorhanden; sie befanden sich in dem erbarmungswürdigsten Zustande. Das
Meerwasser hatte die Haut von den Gliedern abgelöset, von Quetschungen und Wun¬
den waren Alle so entkräftet, daß sie sich nicht mehr aufrecht erhalten konnten. Von
Fischen und Wein war nur so viel noch übrig, um sich zur äußersten Noth vier Tage
gegen den Hungertod schützen zu können. Kaum war die Uebereinkunft getroffen,
daß Jeder, welcher etwas von den gemeinschaftlichen Lebensmitteln entwenden würde,
den Tod leiden sollte, als zwei Soldaten bei der Anbohrung der Weinfässer ertappt
wurden und in den Wellen sterben mußten.
Hoffnungslosigkeit ergriff jetzt Alle. Dreizehn waren bereits so schwach, daß
sie nur kaum noch ihrer Sinne mächtig waren. Da beschlossen die fünfzehn Stär¬
keren sich ihrer zu entledigen, und ohne Erbarmen wurden die widerstandslosen Ge¬
fährten ins Meer geworfen! Sechs Tage später erblickte man plötzlich am fernen
Horizonte ein Schiff. Es war die Brigg Argus, welche vom Senegal zur Aufsuchung
ausgeschickt worden war. Man denke sich unsere Freude und Aufregung. Es galt
die letzte Anstrengung, um von dem Schiffe bemerkt zu werden. An Tauen und
Masten hielten sich die Stärksten aufrecht, Andere ließen Tücher wehen, noch Andere
lagen in dumpfem Brüten gleich ausgetrockneten Leichnamen ausgestreckt auf den
überflutheten Sparren; zu schwach zum Rufen und zum Schreien, vermochten nur
Wenige noch zu lispeln! Wir wurden gerettet." —- Aber um welchen Preis hatten
sie ihr elendes Dasein erkauft! Das Leben ist der Güter höchstes nicht! Zwei Tage
länger ausgehalten, und sie wären vielleicht Alle gerettet worden, und wenn nicht, so
wäre ein Unglück geschehen, aber kein Verbrechen! Schleiden.
4. Wovon lebt die Pflanze?
Zunächst muß hier die Frage beantwortet werden, woraus besteht die Pflanze?
Wir sehen dabei vorläufig, wie auch bei den Thieren geschehen (s. Wovon lebt der
Mensch? Il, 146) von den unorganischen Bestandtheilen, den Erden und Salzen
ab. — Der Körper der Pflanzen ist aufgebauet aus stickstofffreien Bestand-
theilen, nämlich aus Zellstoff und Pflanzengallerte, welche mit den andern Stoffen:
Zucker, Gummi, Stärkemehl ganz gleich zusammengesetzt sind, und sich von denFett-
und Wachsarten nur durch ein geringeres Verhältniß des Sauerstoffes in letzteren
unterscheiden. Daneben bedarf die Pflanze der stickstoffhaltigen Theile nicht sowohl,
um ihren Körper aufzubauen, sondern um den chemischen Prozeß zu veranlassen,
durch welchen die Umbildung der aufgenommenen Nahrungsstoffe erfolgt. Die Frage
nach der Ernährung der Pflanzen umfaßt also die Frage nach dem Ursprünge des
Kohlenstoffs und Stickstoffs, indem für Wasserstoff und Sauerstoff durch Wasser und
atmosphärische Luft genügend gesorgt ist. Die bisherige allgemein geltende Ansicht
ging nun dahin, daß die Pflanze ihren Sauerstoff und Stickstoff dem Dünger oder
dem Humus des Bodens entnehme, denn auf einem Boden, reich an Humus oder gut
gedüngt, gedeihen die Pflanzen'offenbar besser: also, schloß man, mußte dort die
Quelle des Kohlen - und Stickstoffes der Pflanzen sein; bis Liebig mit Lebendigkeit
und Klarheit durch andere Ansichten einen lebhaften Kampf eröffnete, welcher der
Wissenschaft eine richtigere Grundlage und zugleich dem Ackerbau eine neue Theorie
gegeben hat.