Full text: Für die dritte Bildungsstufe (Theil 3)

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Es gab eine Zeit auf unserer Erde, in welcher noch keine Vegetation die feste 
Rinde bedeckte, in welcher kein Thier lebte, in welcher kein Humus vorhanden sein konnte. 
Dennoch entwickelte sich in diesem humusleeren Boden allmalig eine Vegetation in 
so großer Masse, daß sie, durch spatere Erdrevolutionen begraben und uns aufbewahrt, 
einen wichtigen Platz im Haushalte der Menschheit einnimmt: ich meine die Vegetation 
einer der ältesten geognostischen Formationen, der Steinkohlenperiode. Europa 
verbraucht jährlich 677,800,000 Centner und der Vorrath reicht auch bei steigendem 
Verbrauch noch wenigstens 500 Jahre aus. Ein solcher Vorrath entspricht 
240,500 Millionen Centnern Kohlenstoff, den diese Pflanze offenbar nicht dem 
humusleeren Boden der Urzeit entnommen haben konnte. Jenes falsche Raison- 
nement setzt nämlich folgende Hypothese voraus: Es giebt eine bestimmte Quantität 
organischer Substanz, welche zwischen Pflanzen- und Thierreich cireulirt. Das ab¬ 
sterbende Thier dient der Pflanze zur Nahrung und die entwickelte Pflanze wieder 
dem Thiere. Das könnte auch geschehen, wenn nicht der Verwesungsprozeß dazwi¬ 
schen träte, durch welchen mindestens ein Theil der organischen Substanz dem an¬ 
geblichen Kreisläufe entzogen und als unorganische Verbindung, als Kohlensäure 
und Ammoniak, in die Atmosphäre verflüchtigt wird. Im Verlaufe der Zeit müßte 
diese angeblich mit der Erde geschaffene Substanz längst verbraucht sein; aber im 
Gegentheil, es zeigte nicht blos jene geognostische Periode, sondern auch die mit 
den Menschen beginnende Geschichte von Periode zu Periode, von Jahrhundert zu 
Jahrhundert eine immer größere Fülle des organischen Lebens, eine fortwährende 
Vermehrung der Thier- und Pflanzenwelt. Woher stammt diese, wenn es nicht 
einen Prozeß giebt, durch welchen die unorganische Substanz übergeführt wird in 
den Kreislauf des Organischen? — Auf der andern Seite können wir leicht über¬ 
schlagen, welche ungeheure Menge von Ammoniak und Kohlensäure sich durch 
Athmen und Verbrennungsprozesse, aus der Verwesung so vieler Milliarden von 
Thier- und Pflanzenkörpern und durch die fortwährenden Ausströmungen der gro¬ 
ßen Vulkane in der Luft seit Jahrtausenden müssen angehäuft haben, während in 
der That das Ammoniak in verschwindend kleinen Mengen, die Kohlensäure in einem 
bestimmteren, aber sehr geringen Antheil in der Atmosphäre sich befindet. Es muß 
also ein ganz gesetzmäßiger Abfluß stattfinden, durch welchen eben so der Atmo¬ 
sphäre jene Stoffe wieder entzogen und der organischen Welt wieder einverleibt wer¬ 
den. Und wie im Großen, so läßt er sich auch in kleinern Gebietsgrößen nachweisen. 
Die Pampas in Südamerika hatten zur Zeit der Besitznahme durch die Spanier 
dieselbe dürftige Steppenvegetation wie noch jetzt, dieselbe dünne Bevölkerung, die¬ 
selben einheimischen Thiere. Die Spanier führten das Pferd und das Rindvieh ein, 
welches sich ungeheuer vermehrte, so daß Montevideo allein jährlich 300,000 Stier¬ 
häute ausführt, die Kriegszüge des General Rosas viele hunderttausend Pferde koste¬ 
ten, ohne daß eine Abnahme merklich wurde. Das einheimische organische Leben hat 
sich also vermehrt, und Millionen Pfunde von Kohlen- und Stickstoff sind durch die 
Ochsenhäute ausgeführt, ohne daß das Land den geringsten berechenbaren Ersatz an 
organischen Stoffen erhalten hätte. Woher können diese Massen anders stammen, 
als aus der Atmosphäre? —Von dem in gutem Stande erhaltenen Walde gewinnen 
wir jährlich für den Morgen etwa 2500 Pfund trocknes Holz, welche 1000 Pfund Koh¬ 
lenstoff enthalten. Aber wir düngen den Waldboden nicht, und sein Gehalt wird 
nicht erschöpft, sondern nimmt jährlich durch Windbruch und Blattfall bedeutend 
zu. — Die Provinzen Nord- und Süd-Holland, Friesland u. s. w. führen alljähr¬ 
lich mit ihrem Käse etwa eine Million Pfund Stickstoff aus. Sie entnehmen den¬ 
selben durch die Kühe ihren Wiesen, die niemals anders als von dem darauf wei¬ 
denden Viehe gedüngt werden; das giebt jenen aber keinen Ersatz, weil Alles, was 
diese produziren, von den Wiesen herstammt. Woher nun diese enorme Maße
	        
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