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27. Nordamerikanische Zustände.
Die vereinigten Staaten von Nord-Amerika haben sich, namentlich in den letz¬
ten Jahrzehnten des Friedens auf eine merkwürdige Weise entwickelt, an Menschen¬
zahl" Betrieb und Wohlstand zugenommen, daß Tausende dort jährlich ein Glück
suchen, welches sie in Europa nicht finden zu können vermeinen.
Die von den Europäern verdrängten alten Einwohner dieses Landes sind
kupferfarbige Indianer, deren Geschichte unbekannt ist, aber alte Grabhügel, Be¬
festigungswerke rc. deuten auf ein Urvolk hin, das von höherer Bildung vor ihnen
diese Gegenden bewohnte. Deutsch-normannische Seefahrer waren am Ende des
10. Jahrhunderts die Entdecker derselben. Die Spanier landeten 1512 in Florida,
und Walter Raleigh entdeckte 1584 Virginien, und 1607 wurde die erste feste Nie¬
derlassung Jamestown gegründet. Der Despotismus und der katholische religiöse
Verfolgungsgeist des Hauses Stuart trieb Viele aus England dahin, so Puritaner
nach Massachusetts 1620, dann unter Lord Baltimores Leitung Katholiken nach Ma¬
ryland, und Quaker unter W. Penn, welche Peunsylvanien gründeten. Obgleich auch
Franzosen, Holländer und Schweden sich dort niederließen, behielt doch der englische
Geist die Oberhand.
Zu Ansang des 18. Jahrhunderts ward die ganze Küstenstrecke vom Lorenzo¬
strom bis Florida in Englands Händen, und im Pariser Frieden verlor Frankreich
alle seine Besitzungen östlich vom Mississippi an England. Willkürliche Besteurung,
der Alleinhandel Englands rc. erzeugten Unzufriedenheit, und am 4. Juli 1775 er¬
klärten sich 13 Provinzen, weil ihre Vorstellungen nicht beachtet wurden, für unab¬
hängig, und nach 7 jährigem Kampfe unter Washington, wie durch die Hülfe Frank¬
reichs, welche der Buchdrucker und Physiker Franklin bewirkte rc., nöthigten sie Eng¬
land den 3. Sept. 1783 zur Anerkennung ihrer Unabhängigkeit.
Handel und Fabriken aber lagen darnieder, die Seemacht war im Beginn (und
geringer als die, welche Deutschland 1851 besaß), Gesetz und Ordnung waren aus
den Fugen gegangen; aber der anglo-germanische, verständige und besonnene
Geist des Volks bewahrte es vor dem Uebermaß in den Bestrebungen, wodurch
Frankreich sich selbst zu Grunde richtete, und Washington war größer als Napoleon,
weil er nicht nach der Herrschaft strebte, sondern dem Lande zu einer Verfassung
verhalf, welche, das Gesetz zur Herrschaft bringend, den Einzelnen unter dem Pa¬
nier der bürgerlichen und religiösen Freiheit erlaubte, seine Kräfte frei zu gebrauchen.
Der bald darauf in Europa ausbrechende französische, nicht Freiheits-, sondern Staats¬
umwälzungskrieg verwickelte das durch den atlantischen Ocean getrennte Land nicht,
hinderte England an eine Wiedererlangung zu denkeu, und ein kurzer Krieg 1812—13
brachte keinen Theil Gewinn. Nord-Amerika aber zog schon damals, wo Europa
von Kriegselend voll war, manche neue Ansiedler dorthin, und die Uebervölkerung
in den Jährendes Friedens, die Leichtigkeit der Ueberschiffung führt jetzt jährlich
Hunderttausende in diese neue Welt.
Zu dem Gebiete dieser Staaten, welches sich 1783 auf 13 beschränkte, nämlich
New-Hampshire, Massachusetts, Rhode-Jsland, Connecticut, New-Uork, New-
Jersey, Pennsylvanien, Delaware, Maryland, Virginien, Nord- und Süd-Earolina
und Georgien, kamen bis 1812 die Binnenländer: Vermont, Kentucky, Tennessee,
Ohio und Louisiana, von 1816 bis 1821: Indiana, Mississippi, Illinois, Alabama,
Maine und Missouri und von 1835 an: Michigan, Arkansas, Teras, Wiscousin,
Java, Ober-Kalifornien und Florida, also 18 neue Staaten hinzu. So umfaßt es
jetzt vom atlantischen Meer und dem merikanischen Meerbusen bis zum großen Ocean
67000 Quadratmeilen, die unter Oberhoheit der Union stehenden Gebiete: Ealifor-
nien, Oregon, Indian, Missouri betragen 73000 Q.-M., also zusammen 140000