Full text: Lesebuch für die Volks- und Bürgerschulen in Mecklenburg-Schwerin

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nachdem der Wind sie treibt, rascher oder langsamer; aber sie ver¬ 
zehrt alles, was ihr in den Weg kommt. Trifft sie ausgedehnte 
Flächen von dürrem Grase, so zieht sie wie ein Feuermeer dahin; 
trifft sie dazwischen feuchte Plätze mit frischem Grase, so läuft sie 
in Schlangenwindungen hin imb her. Wenn die Leute aus der 
Ferne eine dunkle Wolkenwand herumziehen sehen, in der sich ein¬ 
zelne hellweiße Wölkchen emporkreiseln, dann eilen sie mit Haken 
und Hacke und Spaten herbei, um den Graswuchs zu zerstören 
und dadurch dem Feuer Einhalt zu thun. Oft bleibt dem Men¬ 
schen, um sich zit retten, gar nichts übrig, als sich mitten in die 
Flamme hineinzustürzen; denn bei dem wunderlichen Lauf des 
Feuers kann es geschehen, daß die Gefahr von allen Seiten kommt 
uud ein Ausweg nirgends zu finden ist. Manche Dörfer und ein¬ 
zelnstehende Wohnungen sind beständig zum Schutz gegen die Step- 
penbrände mit einem breiten, vom Grase sorgfältig rein gehaltenen 
Graben umgeben. 
Ein noch furchtbarerer Feuerschein verbreitet sich am Himmel, 
wenn die riesigen Schilfwälder an den Usern der Flüsse angezün¬ 
det werden. Es ist dies verboten, geschieht aber doch jeden Früh¬ 
ling , um Schlaugeil und Wölfe zu vernichten und dem jungen 
Anwuchs von Schilf Raum zu schaffen. Die Flammen schlagen 
dann fürchterlich auf und zeichnen weit in die Ferne den Lauf des 
Stromes am Himmel ab. Ist der Fluß nicht gar breit, so fahren 
von beiden Seiten die Flammen zusammen und bilden eine feurige 
Wölbung über dem Wasser. Eine Menge voll Wölfeil, Schlangeil 
und andern schädlichen Schilfbemohnern kommen in dem Feiler um; 
aber auch nützliche Thiere gehen in ganzen Scharen zu Grunde. 
30. Monstaiitinojed. 
Konstantinopel, die ehemalige Residenz des ersten römischen 
Kaisers, der sich zu Christo bekannte, fiel 1453 den Anhängern des falschen 
Propheten in die Hände und ist darin geblieben bis zu dieser Stunde. 
Als ein wildes, eroberungssüchtiges, durch und durch fleischlich gesinn¬ 
tes Volk, dessen Leben der Krieg und dessen Lohn im Himmel die ir¬ 
dische Lust war, kamen die Türken nach Europa. Und was sie waren, 
sind sie geblieben. Oft haben christliche Völker versucht, ihnen milde 
Sitten zu bringen, aber vergeblich. 
Ihre Hauptstadt , Konstantinopel, hat wohl die herrlichste Lage in 
Europa. Wer von der Seeseite ankommt und durch die Reihen der 
prächtigsten Landhäuser , die sich rechts und links vom Wasser erhe¬ 
ben, hindurchfährt , bis er endlich vor der Stadt anhält, die mit ihren 
vielen Moscheen und hunderten von Minarets sich vorn Strande aus in 
die Höhe zieht, der hat einen Anblick , dem nicht viele auf der Erde 
zu vergleichen sind. Dann mag er ruhig umkehren und nach Hause 
fahren; denn er hat das Schönste von Konstantinopel gesehen. Drinnen 
ist nur Seltsames oder Ungewohntes, aber Schönes nicht viel zu finden. 
Die Häuser sind zum grossen Theil von Holz , klein und unansehnlich,
	        
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