182
die Strassen eng und schmutzig, bei Regenwetter kothig. Ziemlich ru¬
hig geht es in denselben her. Die Männer in der Türkei sind wortkarg
und gehen schweigend ihren Weg. Frauen sieht man weniger öffentlich,
und die man sieht, sind dicht verschleiert. Denn es gilt bei den Türken
für unanständig, wenn eine Frau ihr Angesicht sehen lassen wollte. So
kann es kommen , dass eine ziemliche Anzahl Menschen durch die
Strassen geht und man doch nichts hört, als das Rauschen und Schlur¬
fen der Pantoffeln, die die gewöhnliche Fussbekleidung für Männer und
Frauen sind.
Eine grosse Rolle spielen die Hunde in Konstantinopel. Ohne ei¬
nem Herrn anzugehören, bilden sie verschiedene Genossenschaften, die
in verschiedenen Stadttheilen ihren Aufenthalt haben und von dem Ab¬
fall leben, der ihnen aus den Häusern zugeworfen wird. Wehe dem
Hunde, der sich in ein fremdes Gebiet wagt! Arg zugerichtet, kehrt er
heim, wenn er überhaupt mit dem Lehen davonkommt. Manche Türken
setzen im Testamente ein Capital aus, dessen Zinsen zur Fütterung der
Hunde verwandt werden sollen. Ein Fremder ist vor ihnen nicht ganz
sicher; hat er sich aber ihre Zuneigung durch mehrmalige Fütterung
erworben, so kann er unbesorgt seines Weges gehen.
Das Haupthauwerk in der Stadt ist die Residenz des Sultans , der
S erail, nicht ein einzelnes Gebäude, sondern ein ganzer Stadttheil, der
mit Mauern umgehen ist und Stunden im Umfange hat. Hier wohnt
der Sultan mit seinem Hofstaat, Dienern und Beamten, zusammen
vielleicht 10000 Menschen. Wie es darin aussieht, weiss man nicht;
denn die Europäer haben dort keinen Zutritt. Die schöne Sophien¬
kirche, eine der ältesten in Europa — denn sie ist schon 1300 Jahr
alt —, ist in eine türkische Moschee umgewandelt worden. Sie ist in
Kreuzesform erbaut und hat gerade über dem Kreuze eine viel bewun¬
derte Kuppel, die auf Granitsäulen ruht und 165 Fuss hoch ist.
Die Versammlungsörter der Türken sind die Kaffeehäuser. Hier
können sie mit untergeschlagenen Beinen Stunden lang sitzen und
schweigend den Possenreissern, Tänzern u. s. w. zusehen, während sie
unaufhörlich Kaffee schlürfen und die Pfeife mit dem langen, biegsamen
Schlauche dazu rauchen. Die Frauen gehen täglich in die Bäder, wo
sie durch Kaffeetrinken und Schwatzen sich für die Einsamkeit des Hauses
schadlos halten.
Der einzig gut gebaute Theil von Konstantinopel ist die Vorstadt
Pera , die fast ganz von Europäern bewohnt und mit den Palästen der
fremden Gesandten geziert ist.
3!. Vorder - Indien.
Das Land.
Von den Schneebergen des Himalapa erstreckt sich in Gestalt
eines Dreiecks von 70000 tief in den indischen Ocean hinein
die Halbinsel Vord er-Jndien, das Land der Schönheit und
der Fülle, das Ziel der Eroberer und der Sammelplatz der Welt¬
schiffer. Ein 6 — 7 Meilen breiter sumpfiger Waldsaum mit un¬
durchdringlichem Gestrüpp und üppig aufschießendem Grase, in
dem Krokodile und Schlangen, Elephanten und Nashörner, Löwen
und Tiger hausen, trennt das eigentliche Land Indien von dem