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gesetzt wurden. Als die Compagnie gezwungen wurde, Schulen anzulegen,
wurde die Religion von dem Kreise des Unterrichts ausgeschlossen, damit
Hindus und Muhammedaner nicht verletzt würden. So zog man selbst ein
Geschlecht heran, das klug und pfifftg war, aber Gott nicht fürchtete. Im
Jahre 1857 endlich war die Frucht reif. Ein furchtbarer Aufstand brach los
und wälzte sich durch Bengalen und die nordwestlichen Provinzen, wie eine
Lawine. Alles, was eine weiße Haut hatte, wurde ohne Erbarmen nieder¬
gemetzelt. Europa hörte mit Entsetzen von den haarsträubenden Gräueln, die
in Indien vollbracht wurden. Und die Anführer in dem Aufruhr waren
Leute, die in den religionslosen Schulen der Engländer unterrichtet waren.
Als der Aufstand durch Ströme von Blut gedämpft war, löste die Königin
die Compagnie, die bis zum letzten Augenblick unverbesserlich blieb, auf und
übernahm selbst die Regierung von Indien. Von da an hörte die Begün¬
stigung des Heidenthums durch Christen aus.
3$. ^uüi Jaltntiarlif nacli ¡¿olymsk.
Auf den mecklenburgischen Dörfern fällt die Schule aus, wenn
in der benachbarten Stadt Jahrmarkt ist. Will oder soll der faust-
feste Landjunge dahin, so lässt er sich so leicht nicht durch Wind
oder Wetter zurückhalten. Aber auf den Jahrmarkt nach Kolymsk
zu gehen, der gar nicht einmal in dem Kalender steht, dazu möchte
auch er schwerlich Lust haben. Denn Kolymsk liegt im nördlichen
Sibirien am Ausflüsse der Kolyma in das Eismeer fast unter dem
70. Grade an einer öden Küste , die zehn Monate des Jahres mit
Schnee und Eis bedeckt ist und in dieser Zeit nur Eisbären, Renn-
1 hie re und andere mit dickem Winterpelze bekleidete Thiere zu
Bewohnern hat. Jährlich wird in den wenigen kleinen Ortschaften
jener öden Küste, unter denen Kolymsk obenan steht, ein Markt
gehalten, den russische Kaufleute von weit her mit Gerälhschaften
und leichten Zierrathen besuchen, um das köstliche Pelzwerk von
den umherziehenden Bewohnern des Nordens dafür einzutauschen.
Aber die Reise dahin ist mühsam und gefahrvoll.
Bei 30 0 Kälte macht sich eine Karawane von Kaufleuten mit
Dienern und einigen hundert Packpferden auf den Weg. Durch
finstere Wälder und unabsehbare Ebenen geht es eintönig fort,
ohne dass man einen .Menschen erblickt und ein Obdach findet,
unter weichern man ausruhen könnte. Vor Sonnenaufgang, bei dem
Schein des Nordlichts, setzt sich der Zug in Bewegung. Das will
aber nicht viel sagen; denn vor zehn Uhr geht die Sonne nicht
auf. Langsam steigen die Pferde durch den tiefen Schnee, in dem
nicht Weg, noch Steg zu sehen ist. Die Reisenden sind ganz in
Pelz gehüllt und tragen eine Larve vor dem Gesicht zum Schutz
gegen den schneidenden Wind. Endlich geht die Sonne auf. Im