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Umsehen bekleidet sie die Gegend mit märchenhafter Herrlichkeit:
der Wald strahlt wie ein Feenschloss, das auf zahllosen Säulen
ruht; die Luft flimmert von Eissplittern, die in allen Farben spiegeln;
die Schneefläche glänzt wie feurige Edelsteine. Aber die Herrlichkeit
ist nicht von Dauer. Um zwei Uhr geht die Sonne unter und rings¬
umher liegt wieder eine schweigende Wüste. Endlich trifft man die
Stelle des Nachtlagers, die daran kenntlich ist, dass die Bäume um¬
her schwarz angebrannt sind. Hier lagern sich die Karawanen, weil
nach der Erfahrung der Wind dort keine hohen Schanzen von Schnee
zusammenzutreiben pflegt. Einige von den Reisenden suchen Weide¬
plätze, auf denen die Pferde sich das Moos unter dem Schnee her¬
vorscharren: andere suchen Reiser und machen schnell ein Feuer,
um das Essen zu bereiten. Um das Feuer werden Decken auf den
Schnee gelegt; darauf lagert sich die Gesellschaft. Nachdem
alles für die Nacht vorbereitet und die Pelze gewechselt sind —
denn die getragenen sind nass und müssen am Feuer trocknen —,
legt man sich nieder und schläft zwischen Schnee und Feuer unter
freiem Himmel, wenn man sonst wohl ist, ruhig bis zum andern
Morgen. Also geht es, wenn nicht ein Schneetreiben eine gefähr¬
liche Unterbrechung macht, Wochen lang ungestört fort, bis man
endlich bei den Hütten anlangt, die man die Stadt Kolymsk nennt.
Ebendahin kommen nun die Händler aus der Umgegend auf
Rennthier- oder Hundeschlitten, um Kessel, Messer, Beile, Nähna¬
deln, Glasperlen gegen Pelzwerk einzutauschen. Sie schlagen ihre
Hütten auf, indem sie Stangen in die Erde stecken und Felle dar¬
über decken. In dem Zelte brennt ein Topf mit Walfischthran, in
welchem statt des Dochtes ein Büschel dürren Mooses liegt. Dies
Feuer verbreitet einen widerlichen Gestank, aber so grosse Hitze,
dass die Einwohner ,,zu Hause“ grösstenteils nackt gehen. Wenn
die Marktgeschäfte beendigt sind, eilen alle ihrer Heimath zu.
Kolymsk ist wieder öde und verlassen. Aber in den zwei Som¬
mermonaten bringt die Natur wieder Leben, freilich ein anderes.
Die Sonne scheint warm und bringt Blumen und Gras, Fische und
Vögel in grosser Zahl, dass die Menschen Vorrath für den ganzen
Winter einsammeln können.
33. Die Cliinesen.
Hinten in Asien in einem ausgedehnten Gebiet wohnt das zahlreiche
Volk der Chinesen, das sich durch seltsame Sitten und Gebräuche
von allen Völkern der Erde unterscheidet. Die Chinesen gehören zum
mongolischen Stamme, haben ein breites Gesicht, hervorstehende Backen¬
knochen und kleine gegen die Nase hin abwärts lautende geschlitzte