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den St. Bernhard führt eine Straße von der Schweiz nach Italien,
welche nur drei Monate im Jahre ohne Gefahr betreten werden kann.
Im Winter, wenn alle Spalten und Schluchten von tiefem, losem
Schnee erfüllt sind, wenn Lawinen die Wege verschütten oder dicker
Nebel jede Aussicht hemmt, droht jeder Augenblick dem Reifenden
Tod und Verderben. Hoch oben in einem rauhen Felfenthale, tu
nächster Nähe des ewigen Schnees, steht ein Kloster, dessen Mönche
nun schon seit tausend Jahreil sich angelegen sein lassen, verun¬
glückten Reisenden Hülse und Rettung zu bringen. Aus ihrer hohen
Wohnung, der höchsten in der alten Welt, wo selbst in heißen
Sommertagen das Wasser des Morgens mit Eis bedeckt ist, gehen
sie jeden Tag mit ihren Knechten zu den gefährlichsten (Stellen und
führen Schaufeln, Bahren, Stricke und Lebensmittel mit sich, um
sogleich jede Art von Hülfe bringen zu können. Eine große Art
Hunde, die eine so feine Nase haben, daß sie mehrere Fuß unter
dem Schnee einen Menschen wittern, folgt ihnen getreulich in ihren:
mühevollep und segensreichen Dienst. Oft streichen die Hunde allein
umher und durchsuchen Stunden lang alle Wege und Schluchten.
Finden sie einen Erstarrten, so eilen sie pfeilschnell ins Kloster
zurück und rufen durch ihr Bellen die Mönche zu Hülfe. Wittern
sie einen Verunglückten unter einer Lawine, so scharren sie guerft
mit ihren starken Klauen den Schnee weg und holen dann weitere
Hülfe aus dem Kloster herbei. Der berühmteste Hund des St.
Bernhard war Barry, das unermüdliche Thier, welches mehr
als vierzig Menschen das Leben gerettet hat. Sobald Nebel oder
Schneegestöber hereinbrach, eilte er hinaus und durchforschte mei¬
lenweit die gefahrvollen Stellen. Einst fand er in einer eisigen
Grotte ein halberstarrtes Kind und nöthigte es durch freundliche
Liebkosungen, daß es sich auf seinen Rücken setzte und an seinem
Halse festhielt. Das treue Thier trug das Kind ins Kloster und
rettete es vom sichern Tode.
Eine schreckliche Krankheit des Hundes ist die Tollwuth. Gewöhn¬
lich sängt sie damit an, daß das Thier traurig wird, sich versteckt,
nichts fressen oder sausen mag. Wem: die Krankheit ausgebildet
ist, läßt der Hund die Ohren hängen, zieht den Schwanz zwischen
die Beine, steckt die Zunge heraus, hält den Kopf nieder und läuft
gerade aus. Vor einem solchen Hunde muß man sich sehr hüten;
denn wer gebissen lvird, Mensch oder Thier, wird häufig von der¬
selben schrecklichen Krankheit befallen. Wenn jemand gebissen ist,
mich er, bis der Arzt kommt, Sorge tragen, daß die Wunde fort¬
während blutet. Oberhalb des Bisses muß er ein starkes Band
fest um das verwundete Glied binden, damit das Gift sich nicht
schnell in dem Körper verbreite.
Von der Treue und Gelehrigkeit des Hundes erzählt man
viele hübsche Geschichten. Der Schauspieler Duval in Havre
verkaufte einen Hund an einen Kaufmann in Paris. Drei Wochen
lang wurde das Thier von seinem neuen Herrn eingesperrt. Es
heulte Nacht und Tag und konnte sich gar nicht in sein Schicksal
finden. Sobald er die Gelegenheit ersah, lief er davon und eilte
zwanzig Meilen weit nach Havre zurück. Der Hund suchte seinen
frühern Herrn in allen bekannten Häilsern. Da er ihn nicht fand,
lut er in den Hafen und schlich sich auf eins der Schisse, mit denen
der Schauspieler öfter nach Brest gefahren war. Duval wollte