Full text: Deutsches Lesebuch für Mittelschulen

401 
35. Glaube, Hoffnung, Liebe. 36. Am Todtenfest. 37. Elegie rc. 
35. Glaube, Hoffnung, Liebe. 
Von Albert Werfer. 
1. Ihr könnt mir Alles rauben, 
Was man so heiss begehrt, 
Doch nimmer meinen Glauben, 
Den Mutter mich gelehrt. 
2. Ihr könnt mit Banden binden 
Die Hand’ und Füsse mir, 
Doch könnet ihr nicht binden 
Der Hoffnung Geist in mir. 
3. Ihr könnt durch’s Herz mir stossen 
Ein Schwert, so blutig roth, 
Doch könnet ihr nicht stossen 
Die Lieb’ darinnen todt. 
4. Die drei, die bleiben immer, 
Ob Alles reisst und bricht, 
Und geben hellen Schimmer, 
Wenn auslöscht jedes Licht. 
36. Am Todtenfest. 
Von I. Sturm. 
1. Wenn deine Lieben von dir geh'n, 
Blick auf in deinen Thränen! 
Gott will, du sollst gen Himmel seh'n 
Und dich nach oben sehnen. 
2. Und schied er durch des Todes Hand 
Dich von den Lieben allen. 
So wirst du nach dem Vaterland 
Nur um so leichter wallen. 
3. Ein Pilger gehst du durch die Welt, 
Die Heimat aufzufinden. 
Bricht ab der Tod dein Wanderzelt, 
Wird all' dein Kummer schwinden, 
4. Die letzten Thränen sind geweint, 
Nichts kann dich mehr betrüben, 
Du bist auf Ewigkeit vereint 
Mit allen deinen Lieben. 
37. Elegie auf dem Schlachtfelde bei Kunersdorf. 
Von Emst August Tiegde. 
Nacht umfängt den Wald; von jenen Hügeln 
Stieg der Tag in's Abendland hinab; 
Blumen schlafen, und die Sterne spiegeln 
In den Seeen ihren Frieden ab. 
Mich laßt hier in dieses Waldes Schauern, 
Wo der Fichtenschatten mich verbirgt! 
Hier soll einsani meine Seele trauern 
Um die Menschheit, die der Wahn erwürgt. 
Drängt euch um mich her, ihr Fichtenbäume! 
Hüllt mich ein, wie eine tiefe Gruft! 
Seufzend, wie das Athmen schwerer Träume, 
Weh' um mich die Stimme dieser Luft! 
Hier, an dieses Hügels dunkler Spitze, 
Schwebt, wie Geisterwandel, banges Grau'n; 
Hier, hier will ich, vom bemoosten Sitze, 
Jene Schädelstätten überschau'n. 
Dolche blinken dort im Mondenscheine, 
Wo das Erntefeld des Todes war; 
Durcheinander lagen die Gebeine 
Der Erschlag'nen um den Blntaltar. 
Ruhig liegt, wie an der Brust des Freundes, 
Hier ein Haupt, an Feindes Brust gelehnt, 
Dort ein Arm vertrant am Arm des Feindes. — 
Nur das Leben haßt, der Tod versöhnt. 
O, sie können sich nicht mehr verdammen. 
Die hier ruh'n! sie ruhen Hand an Hand; 
Ihre Seelen gingen ja zusammen, 
Gingen über in ein Friedensland; 
Haben gern einander dort erwiedert, 
Was die Liebe gibt und Lieb' erhält. 
Nur der Sinn der Menschen, noch entbrüdert, 
Weist den Himmel weg aus dieser Welt. 
Marschall, Lesebuch. 
Hin eilt dieses Leben, hin zum Ende, 
Wo herüber die Cypresse hängt: 
Darum reicht einander doch die Hände, 
Eh' die Gruft euch an einander drängt! 
Aber hier um diese Menschentrümmer, 
Hier, auf öder Wildniß, ruht ein Fluch; 
Durch dasFeld hin streckt sichMondenschimmer, 
Wie ein weites, weißes Leichentuch, 
Dort das Dörfchen unter Weidenbäumen; 
Seine Väter sah'n die grause Schlacht; 
O, sie schlafen ruhig und verträumen 
In den Gräbern jene Flammennächt; 
Vor den Hütten, die der Asch' entstiegen, 
Ragt der alte Kirchenthurm empor, 
Hält in seinen narbenvollen Zügen 
Seine Welt noch unsern Tagen vor. 
Lodernd fiel um ihn das Dorf zusanlmen; 
Aber ruhig, wie der große Sinn 
Seiner Deutung, sah er ans die Flammen 
Der umringenden Verwüstung hin. 
Finster blickt er, von der Nacht umgrauet. 
Und von Mondesanblick halb erhellt, 
Ueber diesen Hügel und beschauet, 
Wie ein dunkler Geist das Leichenfeld. 
Hier der See, und dort des Stromes Flnthen 
Spiegelten zurück das Todesschwert; 
Dieser Himmel sah das Opfer bluten; 
Dieser Hügel war ein Opferheerd; 
Hier im Bach hat Menschenblut geflossen; 
Wo der Halm im Monde zuckend nickt. 
Hat vielleicht ein Auge, halb geschlossen, 
Nach der Heimatgegend hingeblickt. 
26
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.