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solche Züchtigung, dir oder dem Thiere, das nicht weiss,
was rechts oder linhsv ist? Bist du minder deinem Ge¬
lüste gefolgt, als das Thier, welches du leiten solltest?
Und nun übest du ein so unbarmherziges Gericht, und
vergissest deiner Vernunft und deiner eigenen Sünde!
Da schämte sich der Knabe und erröthete vor dem
Vater.
11. Verführung.
Stephan, der Sohn eines Tagelöhners, war so gesund
und stark, daß er schon in seinem vierzehnten Jahre völlig
ausgewachsen war. Seine beiden Brüder waren Maurer,
und Stephan wünschte, auch ein Maurer zu werden. Er
wurde daher mit ihnen auf Arbeit geschickt. Hier war er nun
unter vielen verwilderten und ruchlosen Menschen, welche be¬
ständig fluchten, sich zankten, und, wenn sie einig waren, un¬
züchtige Lieder sangen. Dabei tranken sie beständig Brannt¬
wein. Sehr bald forderten sie den jungen Stephan auf, mit
zu trinken. Dieser weigerte sich anfangs, weil er schon einmal
einen Schluck Branntwein getrunken hatte, und davon ganz
betäubt geworden war. Aber nun spotteten die Gesellen sei¬
ner, und einer sagte zu ihm: Junge, wenn du ein tüchtiger
Maurer werden willst, so mußt du auch Branntwein trinken
lernen. (Hatte der Recht?) Durch das viele Zureden wurde
Stephan endlich dahin gebracht, daß er den Branntwein ver¬
suchte, und es dauerte nun nicht lange, so trank er so gut
seinen Schnapps, wie die Gesellen.
Da Stephan sah, daß die Gesellen beständig die Tabacks-
pfeise im Munde hatten, so glaubte er, das Rauchen gehöre
ebenfalls zu den Eigenschaften eines guten Maurers. Er
schaffte sich daher bald eine Pfeife an. Aber er mußte viel
ausstehen, ehe er es dahin gebracht hatte, mit Fertigkeit rau¬
chen zu , können. Oft wurde ihm so übel und weh, daß er
den Taback gar nicht mehr anzurühren beschloß; allein die
Neckereien seiner Kameraden brachten ihn immer wieder dahin,
daß er es aus's neue versuchte, bis endlich alle Schwierigkeiten
überwunden waren. Nun hielt sich Stephan wirklich für ei¬
nen ganzen Mann, weil er alles mitmachen konnte, was die
andern machten.
Das war aber noch nicht alles Böse, wozu sich der leicht¬
sinnige Stephan verführen ließ. An einem Sonntage, als er
nicht wußte, womit er sich die Zeit vertreiben sollte, sah er
einige Kameraden in ein Wirthshaus gehen, wo Musik ge¬
macht wurde. Da geht es lustig zu, dachte Stephau, und