Full text: Lese-, Lehr- und Sprachbuch für die mittlern und obern Klassen der Elementarschulen

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ging mit hinein. Einige Kameraden saßen da in einer nie¬ 
drigen Stube, deren Wände von Tabacksdampf ganz schwarz 
waren, an einem langen Tische, und zechten tüchtig. Von den 
vielen brennenden Tabackspseifen war die Stube so voll Dampf, 
daß man fast keinen Schritt weit um sich sehen konnte. Nach¬ 
dem man eine Weile bei einander gesessen hatte, that einer den 
Vorschlag, ob man nicht Karten spielen wollte. Alle waren 
es zufrieden, und Stephan wurde auch dazu eingeladen; aber 
er verstand das Spiel nicht. Doch bald fand sich einer, der 
sich erbot, ihn zu unterweisen, und ehe der Abend zu Ende 
ging, hatte Stephan es schon gelernt. Am nächsten Sonntage 
fand er sich wieder ein, und nun sollte er schon um Geld 
spielen. Er hielt es für schimpflich, dies auszuschlagen, und 
siehe da, er hatte das Glück, zu gewinnen. Ob dies aber 
wirklich ein großes Glück war, werden wir bald hören. Ste¬ 
phan bekam nun noch größere Lust zum Spielen; aber nicht 
immer war er so glücklich, wie im Anfange. Oft verlor er 
die paar Groschen, welche er sehr nöthig gehabt hätte, um sich 
Frühstück und Abendbrod anzuschaffen, und dann mußte er 
hungern. Das gefiel ihm freilich schlecht; aber dennoch 
konnte er von dem Spielen nicht loskommen. Wenn er sich 
auch manchmal vornahm, heute will ich gewiß nicht wieder 
in'S Wirthshaus gehen und spielen, so ließ er sich doch zu 
leicht wieder verführen, wenn einer seiner Kameraden kam, 
und ihm zuredete. Die Hoffnung, das Verlorne wieder zu 
gewinnen, trieb ihn immer wieder in das Wirthshaus und 
an den Spieltisch; aber wie traurig schlich er dann des Abends 
nach Hause, wenn er nun abermals verloren, oder doch nichts 
gewonnen hatte. 
Einst war er durch sein beständiges Spielen und Trinken 
in so große Geldnoth gerathen, daß er sich gar nicht mehr zu 
helfen 'wußte; und da kam er auf den schrecklichen Gedanken, 
in dem Hause, wo er arbeitete, zu stehlen. Er nahm einen 
Rock und einen silbernen Löffel weg. O, hätte er doch lieber 
gehungert, oder Andere um eine Gabe angesprochen! — Als 
er den Löffel verkaufen wollte, ward er als verdächtig ange¬ 
halten, sein Diebstahl kam heraus, und er mußte lange im 
Gefängnisse fitzen. Dadurch kam er vollends herunter; er blieb 
auch später ein unordentlicher und unzuverlässiger Mensch, und 
gelangte nie zu Wohlstand und Ehre. 
Erforsche mich, Gott, und erfahre mein Herz! Prüfe mich und er¬ 
fahre, wie ich's meine; und siehe, ob ich auf bösem Wege bin, 
und leite mich auf ewigem Wege. (Pf. 139, 23. 24.)
	        
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