Metadata: Nicolaisches Realienbuch

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Rechte der Staatsbürger. Alle Preußen sind vor dem Gesetze 
gleich. Jeder Staatsbürger, seine Wohnung und sein Eigentum sind un¬ 
verletzlich, wenn das Gesetz nicht einzugreifen hat. Jedem Staatsbürger werden 
Glaubens- und Gewissensfreiheit, Vcrsammlnngsrecht, Rede- und Preßfreiheit 
(Beleidigungen ausgenommen) gewährleistet. Für alle gilt die allgemeine 
Schul- und Wehrpflicht. 
b) Von der Verwaltung. Mit der Verfassung wurde zugleich die Ver¬ 
waltung zum Teil neu geregelt. Die Gerichtsbarkeit der Standes- und Grund¬ 
herren hörte auf. Das Gerichtsverfahren wurde öffentlich, und zu den Schöffen- 
und Schwurgerichten wurden Volksvertreter hinzugezogen. Auch die Land¬ 
gemeinden erhielten die Selbstverwaltung; die letzten Reste der Frondienste 
und Zehnten verschwanden; die Standesunterschiede wurden aufgehoben. 
c) Bedeutung der Verfassung. Das Volk hatte von nun an Anteil 
an der Regierung des Staates, der Willkürherrschaft war vorgebeugt; jeder 
mußte nach Recht uud Gesetz behandelt werden. Die Gesetze können jetzt nur 
in Gemeinschaft mit den Abgeordneten des Volkes gegeben werden; die Ver¬ 
wendung der Einnahmen ist von der Zustimmung der Abgeordneten des 
Volkes abhängig und wird kontrolliert. So wurde ein gedeihliches Zusammen¬ 
wirken zwischen König und Volk und eine ruhige Weiterentwickelung des 
Staatslebens begründet. 
4. Die Einheitsbcstrcbuugcn in Deutschland. Gleichzeitig mit den 
Forderungen nach einer verfassungsmäßigen Regierung in den einzelnen 
deutschen Staaten erwachte auch der Gedauke nach Wiederherstellung eines 
einigen Deutschen Reiches wieder recht lebhaft. In Frankfurt a. M. traten 
im Mai 1848 gegen 600 Abgeordnete aus allen deutschen Staaten (unter 
ihnen Arndt, Jakob Grimm, Uhland) zu einer deutschen National¬ 
versammlung zusammen, wählten als Neichsverweser den Erzherzog Johann 
von Österreich, bildeten ein Reichsministerium, berieten Gesetze für ganz 
Deutschland und trugen Friedrich Wilhelm IV. von Preußen die Würde eines 
Kaisers der Deutschen an. Der König aber lehnte sie ab, weil sie ihm nur 
vom Volke, nicht auch mit Zustimmung der deutschen Fürsten angeboten war. 
Voll Mißmut über diesen Ausgang verließen viele Abgeordnete Frankfurt. 
Der Rest der Nationalversammlung (das Rumpfparlament) wurde infolge 
des badischen Aufstandes in Stuttgart aufgelöst, so daß die Einigung Deutsch¬ 
lands wieder in die Ferne gerückt war. 
Auch ein Versuch Friedrich Wilhelms IV., die deutsche Einheit her¬ 
beizuführen, schlug fehl. Er schloß mit den Königen von Hannover und 
Sachsen den sogenannten Dreikönigsbund, dem fast alle deutschen Staaten 
beitraten. Ein nach Erfurt berufenes Reichsparlament beriet 1850 eine Ver- 
sassung für das zu errichtende Reich; aber Österreich erhob Einspruch uud 
stellte den Deutschen Bund wieder her (Übereinkunft in Olmütz). 
5. Der Aufschwung von Gewerbe und Handel. Der unter Friedrich 
Wilhelm III. begonnene Bau der Eisenbahnen wurde durch Friedrich 
Wilhelm IV. eifrig gefördert. Von Berlin ans wurden die Anhalter (1841), 
die Niederschlesisch-Märkische (1842), die Stettiner (1843) und die Hamburger
	        
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