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feinten Schiksale des Menschengeschlechts gewesen. Sie
haben die Bevölkerung gegen Süden zusammengedrängt:
mehr als das Schneegebirge von Sirinagur und Gorka,
den Verkehr der Nationen gestört, und im Norden
unwandelbare Grenzen gesezt, der Verbreitung milde¬
rer Sitten und des schaffenden Kunstsinns.
Aber nicht als hindernde Vormauer allein darf die
Geschichte die Ebene von Inner-Asien betrachten; Un¬
heil und Verwüstung hat sie mehrmals über den Erd¬
kreis gebracht. Hirtenvölker dieser Steppe, die Avaren,
Mongolen, Alanen und Uzen haben die Welt erschüt¬
tert. Wenn in dem Lauf der Jahrhunderte frühe Gei¬
steskultur, gleich dem erquikenden Sonnenlicht, von Osten
nach Westen gewandert ist, so haben späterhin in der¬
selben Richtung Barberei und sittliche Rohheit Europa
nebelförmig zu überziehen gedroht. Ein brauner Hir¬
tenstamm, die Hiongnu, bewohnte in ledernen Gezelten
die hohe Steppe von Gobi. Ungestüm brach er hervor
aus dem östlichen Theile von Hinter-Asien, und erschien
plözlich (so geht die dunkle Sage) als hunnische
Kriegsschaar, erst an der Wolga, dann in Pannonien,
dann an der Loire und an den Ufern des Po, die schön
bepflanzten Fluren verheerend, wo seit grauen Zeiten
die bildende Menschheit Denkmal auf Denkmal gehäuft
hatte. So wehte aus den mongolischen Wüsten ein
verpesteter Windeshauch, der auf italienischem Boden
die zarte, langgepflegte Blüthe der Kunst erstikte. —
Von den Salzsteppen Asiens, von den europäischen
Haideländern, die im Sommer mit honigreichen, röth-
lichen Blumen prangen, und von den pflanzenleeren
Wüsten Afrika's, kehren wir zu den Ebenen von Süd-
Amerika zurük, deren Gemälde bereits angefangen ist.
Das Interesse, welches dies Gemälde dem Beob¬
achter gewähren kann, ist ein reines Naturintereffe.
i) Zur Zeit der Völkerwanderung.