Full text: Vaterländisches Lesebuch

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in der Welt mir einmal wieder so ein Goldstück unter die Hände 
kommen wird. 
Da nun der Herr Adolph gar Nichts war, so nahm er sich 
ernstlich vor, Etwas zu werden, und er ward — ein Reisender. 
Das ist noch immer ein Titel, wenn man sonst weiter Nichts ist. 
Er reiste von einer Stadt in die andere, von einem Land ins 
andere und ließ sich's überall wohl sein, und wo er Etwas zu 
bezahlen hatte, da gab er die mit seinem Ordenskreuze gezierten 
Goldstücke hin. Noch nie aber war es ihm vorgekommen, daß 
er eines wieder gesehen hatte. Endlich ward er des Hernmreisens 
auf dem festen Laude müde, er verließ die alte Welt und schiffte 
sich nach Amerika ein. 
Nun war der Herr Adolph noch Etwas mehr, als ein Rei-- 
sender, er war sogar ein Auswanderer. Diesmal aber ging's 
schlecht ans der See: fünf Tage und fünf Nächte wüthete ein 
gewaltiger Sturm; Alles, was auf dem Schiffe war, mußte Hand 
an's Werk legen, aber Alles 'vergebens — das Schiff ging unter, 
und nur der Beherztheit des Schiffshauptmannes gelang es, die 
Mannschaft und die Reisenden in eine Schaluppe zu retten. Nach 
zwei Tagen fürchterlichen Uniherirrens und schrecklicher Hungers- 
noth, in welcher Biele starben, wurden die Verschlagenen von 
einem Kauffahrteischiffe ausgenommen und in den Hafen zu Boston 
gebracht. 
Arm, hilflos und verlassen irrte hier Adolph umher, und er 
wünschte sich oft, daß er mit den Anden: von den Wellen begra 
den wäre. Da sah er einen Mann eilig des Weges gehen; mit 
niedergeschlagenem Blick bat er ihn um eine Gabe. Der Alaun 
griff in die Tasche, reichte ihm ein Stück Geld itiib war schnell 
verschwunden. Als Adolph wieder seinen Blick emporhob und 
das Geld betrachtete, wollte er seinen Augen kaum trauen: — es 
war ein holländischer Dukaten, der das Ordenszeichen von seiner 
eigenen Hand unverkennbar trug. 
Sei es nun, daß der Mann sich vergriffen hatte, oder daß 
er wirklich eine so namhafte Gabe schenken wollte, Adolph dachte 
nicht lange darüber nach, und er weinte helle Thränen auf das 
einzige Goldstück, das ihm von seinem ganzen Reichthum als Bett- 
lergabe wieder zugekommen war. Mit Wehmuth dachte er daran, 
daß er eö wieder weggeben und vielleicht nie mehr sehen solle. 
Da begegnete ihm eine große Menge von Arbeitern, die an einer 
Straße arbeiteten; schnell war er entschlossen und ließ sich unter 
die Zahl einschreiben. Ein sonderbarer Gedanke tröstete ihn bei 
dieser ungewohnten Lebensweise. „Ich brauchte eigentlich nicht
	        
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