Full text: Vaterländisches Lesebuch

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manns Fritz auf der Schule, von dem die Leute sagen, daß er 
hinten und vorn ausschlägt, wie unser junger Rappe, wenn er 
mit seiner Mutter aus dem Stalle gelassen wird. Ich willö mit 
dir anders machen. — Also holte er den Schulmeister, der mit 
den Bäumen' ebenso gut umgehen tonnte wie mit den Kindern. 
Der warf aber sogleich alle wilden Triebe ab und pfropfte gute 
dafür ein von der großen Herztirsche im Zwinger neben dem 
Kirchhofe. Und weil es so sein sollte, gediehen die edlen Reiser 
alle, und breiteten sich aus, daß der Stamm bald größer und 
herrlicher ward, denn alle Baume iut Garten. Und. wer ihn zwan¬ 
zig Jahre nicht mehr gesehen hatte, der kannte ihn so wenig mehr, 
als seinen Herrn, der ihn gepflanzt hatte. So geschmückt waren 
sie beide, als sie an einem Sonntagabende neben einander gestan¬ 
den, der, Baum mit köstlichen Früchten und sein Herr mit Man- 
nesschönheit und mit Freude uitb Friede im Gesichte. Also er¬ 
kannte sie auch der Mann nicht, der sich an den Gärten herum¬ 
schlich, als. getraute er sich nicht bei Tage in das Dorf hinein. 
Und obgleich der Müller wußte, daß dieser verlorene Sohn in 
den zerrissenen Schuhen des Amtmanns Fritz sei, so that er doch 
als kenne er ihn nicht, sondern rief ihn zu sich in den Garten 
und sagte: „Freund, ihr scheint mir durstig zu sein. Da, setzt 
euch unter meinen Baum und esset ans dem Körblein Kirschen, 
so viel euch beliebt, dieweil ich hineingehe und ein Stück Brod 
dazu hole, dann könnt ihr weiter gehen, wenn ihr wollt, 'oder 
müßt!" 
Aber der Müller wußte nicht, daß der verlorene Sohn einen 
Mord ans seinem Gewissen hatte, und daß die Rache, zur Strafe 
über den, der Böses thut, ihn: schon auf der Ferse folgte. Und 
hätte er es gewußt, so hätte er sich doch von ganzem Herzen dar¬ 
über gefreut, daß er dein Feinde das letzte Labsal reichen durfte. 
Es war aber für den verlorenen Sohn das Henkersmahl. Denn 
noch hatte er die letzte Kirsche auf der Zunge, da sprengten Reiter¬ 
an den Gartenzann. Und als er Miene machte, wieder zu ent¬ 
weichen, schoß ihn einer seiner Verfolger dnrch's Herz, daß er 
zusammensank und unter dem Kirschbaume seinen Geist aufgab. 
Der Anführer der Schaar aber rief und sprach: 
„Also ist ihnl heute geschehen, wie er seinem Hanptmanne 
gethan hat!" 
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Kunz ging einmal über Land und kam matt und ver¬ 
drossen bei einem Gasthofe an, wo ersieh einen Krug Hier
	        
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