Full text: Vaterländisches Lesebuch

20 
SS. Der Affe. 
Ein Mann war hinausgegangen in den Wald und spaltete 
da einen ungeheuer laugen Baum der Länge nach in Scheite. 
Da bekam er Durst und ging weg an eine Quelle des Waldes, 
zu trinken, und die Axt ließ er zurück bei dem Baume. Aber ein 
Affe hatte ihm zugesehen von einem Baume herab, und als der 
Mann weg war, stieg er herunter und wollte es ihm nachmachen.. 
Er setzte sich auf den Baum und führte etliche Streiche darauf, 
daß dcks Holz einen großen Spalt bekam. Aber sein Schweif ge- 
rieth ihm in den Spalt, und* als er die Axt herauszog klemmte sich 
das Holz wieder zusammen und hielt ihn so au feinem Schweife 
gefangen. Da schrie er laut vor Schmerzen, und der Mann sah 
ihn und rief seine Freunde, daß sie kamen und ihn gefangen nah- 
men.— So kam der Asse durch seinen Vorwitz um seine Freiheit. 
* * 
* 
Was deines Amtes nicht ist, da lasse deinen Vorwitz. 
2«. Der Wolf im Schafsfelle. 
Ein Wolf hatte sich, so gut er konnte, in ein Schafsfell ver¬ 
steckt, sich in dieser Kleidung unter eine große Heerde gemischt, 
und hatte» ein paar Tage hintereinander, au jedem Abende richtig, 
sein Schaaf verzehrt. Bald aber merkte der Hirt den Verlust; 
er durchsuchte die Heerde sorgfältig, erwischte den saubern Gast, 
und schlug ihn todt. 
Dieser Hirt hatte einen Sohn, der auch schon hüten half, 
aber nicht zugegen war, als dieses vorfiel. Der wunderte sich 
nicht wenig als er bei seiner Rückkehr den todten Wolf liegen sah 
und den Verlauf erfuhr. — „Wer hätte unter diesem Felle — 
rief er — einen Wolf suchen sollen!" 
„Mein Sohn" — erwiederte der Vater—„zieh' dir die Lehre 
daraus, daß man bei Menschen und bei Thieren auf ihre Hand¬ 
lungen, und nicht auf ihr Kleid sehen muß. 
27. Der alte Löwe. 
Ein alter Löwe lag kraftlos vor seiner Höhle und erwartete 
den Tod. Die Thiere, deren Schrecken er bisher gewesen war, 
bedauerten ihn nicht; sie freuten sich vielmehr, daß sie seiner los 
wurden. - Einige von ihpen, die er sonst verfolgt hatte, wollten 
nun ihren Haß an ihm auslasten. Der arglistige Fuchs kränkte 
ihn mit beißenden Reden; der Wolf sagte ihm die ärgsten Schimpf-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.