ter, kam es öfters vor, daß der hausherr nach dem Imbitz sich verdrossen
wieder aufs Lager streckte und so auf der Bärenhaut liegen blieb, bis
die Zeit der Hauptmahlzeit herankam, die etwa um die Mitte des Nach¬
mittags, nicht allzulange vor Sonnenuntergang gehalten wurde. „(Es freuen
sich die Hunde, und das Haus öffnet sich von selbst, wenn ein Gast kommt."
So lautet ein altnordisches Sprichwort und bezeichnet damit schön und
bündig die Herzlichkeit mit der der Deutsche den Gast willkommen hieß.
Und das tat er gar oft. Rutzer solchen, die unter seinem Dache über¬
nachteten, kamen noch häufiger andere, die geladen oder ungeladen an
seiner Mahlzeit teilnahmen. Rn ein solches Mahl schloß sich gewöhnlich
ein scharfes Trinken, stets, wenn der Wirt ein Gastgebot erlassen hatte.
Die Tischgenossen blieben dann oft bis tief in die Nacht hinein zusammen.
Da lösten sich die Zungen. Ruch der Verdrießliche vergaß der Übeln Laune,
der verfolgte seines gefahrvollen Lage, wenn die Hausfrau sich erhob
und das Trinkhorn in den Reihert der Gäste herumreichte. Die wichtigsten
Fragen des Geschlechtes, der Gemeinde, des Volkes wurden bei Met und
Bier besprochen. Rber dem ernsten Gespräch folgte bas heitere. Fröhliche
Reden flogen hin und her; Scherz- und Reefegespräche, die bisweilen zu
Handgreiflichkeiten führten, wurden laut, ober es wurden Rätsel aufge¬
geben. Diese jedes Mannes würdige Lustbarkeit gab Gelegenheit, nicht
nur Witz und schnellen verstand zu zeigen, sondern auch genaue Runde
der alten Sagen und Lieder von Göttern und Helden und Kenntnis von
allerlei Merkwürdigem zu bewähren. Die Rätselreden wurden in ältester
Zeit _ nicht gesprochen, sondern gesungen, und sie waren nicht die einzige
Poesie, die bei den (Belagen und Festen der Germanen sich hören ließ.
(Es gab hochgeehrte Sänger, die zum Klang der Harfe von den Geschicken
der Götter, namentlich den Fahrten des Donnergottes, wie von den Taten
der Väter zu fingen und die Herzen der Hörer zu bewegen verstanden.
Man hatte auch gesellige Lieder, die im Thor oder Wechselgesang vor¬
getragen wurden. Dem Saitenspiel gesellte sich dann der fröhliche Klang
der Schroegelpfeife. Gesungen wurde überhaupt viel im deutschen Urwalde.
Sogar die Nächte vor Schlachttagen brachten die Germanen bei frohem
(Belage mit schallendem Gesänge zu, der in Berg und Wald schaurig wider¬
hallte, so daß die lauschenden Römer ein Grausen ankam. Bei Opfern und
Familienfeierlichkeiten, namentlich dem Brautkauf, beim Beginn der
Schlacht, bei Siegesfesten, bei Bestattungen ertönte nicht minder Gesang.
(Erhalten ist uns von allen diesen Gesängen nicht eine Zeile. Sie gingen
verloren, weil niemand sie aufschrieb. Lesen und Schreiben waren noch
in viel späterer Zeit bei den Deutschen selten geübte Künste. Man hatte
allerdings in ^ der Urzeit eine Rrt Schrift, die sogenannten Runen. Das
Wort „Rune" bedeutet eigentlich Geheimnis. (Es waren große Zeichen,
im ganzen etwa vierundzwanzig, die man auf buchene Stäbchen einritzte,
Woher das Wort „Buchstab" entstanden ist. Rber nicht zum Schreiben
und Lesen in unserm Sinne, zu größeren Rufzeichnungen benutzte man
sie, sondern zum Wahrsagen und Loswerfen. Man schüttelte nämlich die
mit Runen bezeichneten Stäbchen durcheinander und warf sie dann auf
ein ausgebreitetes Tuch. Der Hausvater, der den göttlichen Willen oder
die Zukunft erforschen wollte, griff darauf mit abgewendetem Rntlitz
mehrere der Stäbchen auf, wobei er Beschwörungsformeln raunte, und
las sie zusammen. Da jede Rune zugleich die Bedeutung einer Sache hatte,