Full text: Die alten Deutschen während der Urzeit und Völkerwanderung

1. Land und Bolk der alten Deutschen. 3 
rauhes Land. Und freilich sah es namentlich im Norden 
zwischen Ems und Niederelbe traurig aus. Ungehindert konnten 
dort die wilden Meeresfluten oft aus viele Meilen den flachen, 
öden Strand überströmen, und weiter landeinwärts folgte ein 
schauerliches Durcheinander von Sümpfen und Urwald. An 
den Ufern der Ströme wuchsen riesige Eichen. Wenn diese 
vom Wasser unterwühlt oder durch Stürme losgerissen wurden, 
stürzten sie um und kehrten ihre weitverzweigten Wurzeln gen 
Himmel. Manchmal trieben sie auch samt großen Stücken 
des Bodens die Flüsse hinunter ins Meer und setzten niit 
ihrem ungeheuren Geäste, das sich wie Maste und Takelwerk 
ausnahm, die fremden Schisse in Schrecken. Urwald bedeckte 
überhaupt den größten Teil Germaniens; aber deshalb sah es 
doch nicht überall grausig und wild aus. All die schönen 
deutschen Ströme, der Rhein, die Donau, der Main, die 
Weser, die Elbe und wie sie alle heißen, wälzten reichlicher 
und klarer als heutzutage ihre grünlichen Wogen dem Meere 
zu; alle die zahllosen Bäche und Quellen plätscherten, nur 
ungetrübt und ungehindert, durch Wald und Weiden. Der 
liebliche Wechsel wischen Thälern und Hügeln, der namentlich 
die mittleren Gegenden unseres Vaterlandes so reizend macht, 
bestand damals wie jetzt. Der wunderherrliche deutsche Wald 
war auch nicht allenthalben so schauerlich und undurchdringlich, 
wie die Römer behaupteten, und wenn er auch die Feuchtig¬ 
keit erhöhte und Schnee und Regen anzog, so gewährte er 
dafür auch wohlthätigen Schatten im Sommer und hemmte 
die Gewalt des Sturmes im Winter. Außer feuchten, 
finsteren Eichenwäldern gab es trockene Waldung von Buchen 
und Nadelholz, herrlich duftend, mit schlank aufstrebenden 
Bäumen und weichem Moosgrund, auch hie und da schöne 
Lichtungen mit prächtigem Grün. Städte fehlten freilich 
gänzlich, stattliche Bauwerke ragten nirgends empor, und eben¬ 
sowenig gab es wohlgeebnete Straßen, aus denen man bequemlich 
reisen konnte. Aber wenn der Wanderer auf gewundenem 
Waldpfad dahinschritt, so stieß er doch nicht selten auf Menschen¬ 
wohnungen, von wo er schon aus der Ferne die Hunde bellen 
und die Gänse schreien hörte. Es waren niedrige Holzhäuser 
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