Full text: Europa's Länder und Völker

b? 
Die Arbeitsleute sind so fein, sich junge, gut gebaute Perso¬ 
nen zu merken, die in großen Gesellschaften leben. Zu diesen 
kommt ein L-chuster, ein Schneider, ein Friseur, und bittet sie, 
sie möchten doch Schuhe, oder ein Kleid von ihnen anmessen, 
oder sich srisiren lassen, an einer so zierlichen Figur könne er 
seine Geschicklichkeit zeigen; sie möchten nachher nur den Na¬ 
men des Arbeiters nennen, man verlange keine andere Beloh¬ 
nung. — Auf solche Art brüstet sich dann mancher junge Stuz- 
zer in einem geschenkten Anzug. Er wird von seinen Bekann¬ 
ten gefragt, wer ihn bediene; er nennt den Arbeiter, und so be¬ 
kommt dieser bald den zweiten, den dritten Kunden, und am 
Ende Zulauf und Arbeit in Menge. 
Nicht minder erfiudsam ist der ärmere Theil der Einwohner. 
Ein Savoyarde halte den Einfall, sich in dem Hofe des Palais 
royal einen Kastanienofen herzurichten und für Geld Kastanien 
zu braten. Er sagte beständig vor sich hin: O wenn die Herren 
und Damen wüßten, wie gut die Kastanien schmecken, sie 
würden gewiß kaufen. Nun kauften einige von seinen Kasta¬ 
nien, lobten ihren Wohlgeschmack, und ehe man daran dachte, 
konnte er nicht mehr genug braten und austheilen. Er mußte 
mehrere Röstöfen aufstellen, denn von allen Seiten wollte man 
marons du Palais royal haben. Alle Leute führten davon in 
ihren Taschen, und in drei Monaten erwarb sich der Savoyarde 
über taufend Francs. 
Alle Morgen gehen Leute mit Butten umher und durchsu¬ 
chen das Kehricht vor den Häusern. Sie finden in demselben 
Nadeln, Läppchen, Garn und dergleichen, das sie sich zu Nuz- 
zen machen. Und so ist's mit allem alten weggeworfenen Ge- 
räthe, alles wird aufgesucht und benutzt. 
Es gibt Weiber, die bei Schneidern, Näherinnen und Be¬ 
dienten alle Lumpen zusammenkaufen, sie mögen grob oder fein 
seyn, und aus Tuch, Seide oder Leinwand bestehen. Jede Gat¬ 
tung ordnen sie zusammen und fangen einen kleinen Handel 
damit an. Es gibt Leute genug, die froh sind, bei einer solchen 
Lumpenhändlerin ein zum Ausbessern ihrer Kleider schickliches 
Läppchen zu finden, und bezahlen es ihr gern mit einigen Pfen- 
nigen. — Andere haben gläserne Stöpsel zu Flaschen feil. Da 
kommt nun Einer, der seinen Flaschenstöpsel zerbrochen oder 
verloren hat, und ersetzt für ein Paar Sous wieder seinen Ver¬ 
lust. — So viele Mühe gibt sich der gemeine Mann, sich auf 
eine ehrliche Art kümmerlich fortzubringen. 
Andere sind dagegen eben so erfinderisch in Spitzbübereien 
aller Art. Es gibt da z. B. Pferdehändler, die ihre Pferde fär¬ 
ben, und ihnen einen Sattel voll Stacheln auf den Rücken le¬ 
gen, um sie bei dem Proberitt muthiger zu machen. Obsthänd¬ 
ler malen ihr Obst an. Weinhändler brauen Burgunder und 
Champagner. Abgestandene Fische werden in Lauge getaucht,
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.